Beziehungsstudie: Männer wollen mehr verdienen als ihre Frauen

Eine neue englische Studie bewertet das Partnerlohngefälle. Das Ergebnis wirkt wie aus der Zeit gefallen.

Der Gender Pay Gap, also die Lohnlücke zwischen Mann und Frau, beschäftigt unsere Gesellschaft schon länger. Nun haben sich britische Wissenschaftler mit dem daraus resultierenden Partner Pay Gap, also dem Lohngefälle innerhalb einer Beziehung, beschäftigt. Das Ergebnis: Viele Männer wollen noch immer mehr verdienen als ihre Partnerin. 

Wir haben die Vorsitzende des Arbeiterkreises für Gleichbehandlungsfragen, Gender-Mainstreaming-Beauftragte der Pädagogischen Hochschule Wien und Mobbing(präventions)beraterin des BMBWF Aga Trnka-Kwiecinski gefragt, wie es zu diesem Ergebnis kommen konnte und wie sie die Zukunft des Partner Pay Gaps sieht. 

Mehr Geld, mehr Zufriedenheit

An der City University of London hat die Soziologin Vanessa Gash im Rahmen ihrer Forschung herausgefunden, dass Männer einen psychologischen Antrieb erhalten, wenn sie mehr als ihre Frauen verdienen und sich im Umkehrschluss unglücklicher fühlen, wenn es nicht der Fall ist.

Ihre Untersuchungen bezieht die Forscherin auf eine allgemeine Studie aus Großbritannien, die Daten von knapp 40.000 Haushalten aufweist.

Die Wissenschaftlerin gelangte im Laufe ihrer Studie zu folgenden Kernaussagen:

  1. Die Lebenszufriedenheit der Männer steigt als Reaktion auf eine kürzliche Erhöhung ihres anteiligen Einkommens im Verhältnis zum Einkommen ihrer Frauen.
  2. Männer mit einem niedrigeren Verdienst berichten über eine geringere durchschnittliche Lebenszufriedenheit als Ehepartner mit einem Mehrverdienst oder Gleichverdienst.
  3. Änderungen des anteiligen Verdienstes hatten für Frauen keinen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit.

Während bei Männern ein Mehrverdienst der Frau zu psychischen Problemen führen kann, spielt der Verdienst des Partners für Frauen keine Rolle.

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Die Zufriedenheit der Männer wird also laut der Studie durch das Einkommen beeinflusst, während bei Frauen ein derartiger Effekt nicht zu erkennen ist. Das bedeutet, dass für den Mann seine Erwerbsposition im Haushalt mit seinem Wohlbefinden in Verbindung steht. Gash schreibt: „Wir stellen fest, dass Männer leiden, wenn sie weniger verdienen als ihre Frauen, während das subjektive Wohlbefinden der Frauen nicht dadurch beeinträchtigt zu werden schien, dass sie weniger als ihre Männer verdienen.“

Unterstützt werden diese Kernaussagen von den Forschungen der Wissenschaftler der britischen University of Bath. Im Rahmen der Studie wurden 6.000 Haushalte zum Thema Verdienstunterschiede in der Partnerschaft befragt. Das Ergebnis: Es könnte an der äußerst sensiblen Psyche der Männer liegen, dass sie schlicht von gutverdienenden Partnerinnen überfordert sind. Männer finden es demnach zwar gut, wenn die Frauen dazuverdienen und sie nicht die alleinige Verantwortung für die Familie tragen, aber der Verdienst der Partnerin darf ihren nicht überschreiten. Sobald die Frau mehr als 40 Prozent zum Haushaltseinkommen beiträgt, steigt laut den Forschungen der britischen Universität der psychologische Stress der Männer – und das rasant. Auch frühere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass ein hohes Einkommen der Ehefrau den Mann impotent machen oder ihn sogar früher sterben lassen kann.

Sobald eine Frau mehr als 40 Prozent des Haushaltseinkommen beisteuert, kann die Zufriedenheit des Mannes innerhalb der Beziehung rasant abnehmen. 

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Auswirkungen finanzieller Unterlegenheit

Im Rahmen der Studie „The Effect of Relative Income Disparity on Infidelity for Men and Women“ fand zudem die Wissenschaftlerin Christine Munsch heraus, dass Männer, die finanziell von ihrer Partnerin abhängig sind, ein fünffach so hohes Risiko aufweisen, fremdzugehen. Auch kam sie zu dem Ergebnis, dass Frauen, die finanziell abhängig sind, seltener ihren Partner betrügen. Allerdings verschwand der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Abhängigkeit und Untreue, wenn Alter, Bildungsstand, Religionszugehörigkeit, Einkommen und Zufriedenheit mit der Beziehung bei der Analyse berücksichtigt wurden. Eine weitere Entdeckung von Munsch war außerdem, dass die Wahrscheinlichkeit der Untreue sich dann erhöht, wenn der Mann deutlich mehr verdient als seine Partnerin.

Erdrückende Klischees

Wirklich verwunderlich sind die Forschungsergebnisse nicht. Der Schritt raus aus dem traditionellen Familienmodell ist aufgrund der tiefen Verwurzelung in unserer Gesellschaft eine individuelle, schwer messbare Weiterentwicklung in den Köpfen der einzelnen Männer. Die Lebens- und Sozialberaterin Aga Trnka-Kwiecinski sieht die Ursache für den Wunsch des Mehrverdienstes ebenfalls in den historisch verankerten Rollenbildern. Laut ihr definieren sich Männer vor allem über Leistung und infolgedessen Geld – Materielles wird identitätsstiftend. Frauen mit einem besseren Einkommen können demnach Auslöser sein, dass Männer ihre Funktion in der Gesellschaft aus dem Blick verlieren, Minderwertigkeit verspüren und sich das Gefühl von Versagen ausbreitet.

Männer empfinden ihren Beruf eher als identitätsstiftend als Frauen, wodurch die Fixierung auf Leistung und Geld erklärt werden kann. 

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Zusätzlich spielen Faktoren wie der Romance Gap, also die Erwartungshaltung an Mann und Frau innerhalb der Beziehung, eine wichtige Rolle. Laut einer Umfrage der Dating-App Bumble geben 52 Prozent der befragten Nutzer an, dass noch immer von Männern erwartet wird, dass sie den ersten Schritt machen. Laut der Gender-Mainstreaming-Beauftragte der Pädagogischen Hochschule Wien Trnka-Kwiecinski übt das eine Menge Druck auf Männer aus und unterstützt die Wahrnehmung, dass Frauen in der Beziehung und in der Gesellschaft eine passive Rolle einnehmen – auch beim Verdienst.

Auflösung traditioneller Bilder

Wer diese Erwartungshaltung und traditionellen Rollenbilder über Bord wirft, kann eine Beziehung auf Augenhöhe führen. Durch die Einhaltung von Klischees werden nämlich nicht nur Männer unter Druck gesetzt, auch das Selbstbewusstsein der Frauen wird aktiv gemindert. Untersuchungen zeigen, dass Frauen infolgedessen ihr Verhalten anpassen, dem Mann das Gefühl von Überlegenheit geben und seinem Tempo folgen. Im Endeffekt gehen beide Geschlechter als Verlierer hervor: Frauen, die sich selbst aufgeben und zurückhalten sowie die Männer, die unter einer Menge Stress und Druck leiden.

Aga Trnka-Kwiecinski schaut diesbezüglich allerdings positiv in die Zukunft. Jüngere Generationen entwickeln laut ihr ein vollkommen neues Arbeitsverständnis – weg von der Leistungsgesellschaft hin zum Freizeitwunsch, welches sich auch auf die Verdienstvorstellungen innerhalb einer Partnerschaft auswirken. Bestehende Rollenbilder könnten demnach künftig ausgedient haben, da das persönliche Glück stärker in den Fokus rückt.

Über Janet Teplik

Digital Producer bei freizeit.at. Nach dem Studium der Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte zog die gebürtige Deutsche nach Wien und studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaften. Zuletzt war sie stellvertretende Chefredakteurin bei der MG Mediengruppe.

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