ARD-Serie "30 Tage Lust": 30 Partner in 30 Tagen
Die Geschichte eines Paares in den Endzwanzigern, das sich aufmacht, einen Monat lang sexuelle Erfahrungen mit anderen zu sammeln. Jeder für sich.
Die Angst, etwas zu verpassen. Das Leben, das Lieben, neue Menschen, Partys, Clubs, Bücher, Orte – die Welt. Und sexuelle Erfahrungen. FOMO heißt das, als Akronym für "Fear of missing out". Man will sich nicht zufriedengeben, da muss noch mehr her – weil, so die Idee, Erfahrungen, den Horizont erweitern und Veränderung ermöglichen.
Ungefähr dort steht Freddy, Protagonistin der neuen ARD-Serie "30 Tage Lust". Mit ihrem Freund Zeno ist die Endzwanzigerin ein halbes Leben zusammen, sie hatten sich mit etwa 15 ineinander verliebt. Der Klassiker. Und nun? Als Zuschauer begegnet man zunächst einem Paar, bei dem alles perfekt scheint. Da sind zwei, die Spaß haben, miteinander lachen und, immer noch, miteinander schlafen. Alles angerichtet, man wäre beinahe geneigt, zu fragen: "Und? Wann wird endlich geheiratet, wann kommt der Nachwuchs?"
Doch dann Freddys Frage nach dem Sex mit Zeno: "Was, wenn du eigentlich auf etwas ganz anderes stehst?" Guter Input, schwierig zu beantworten: Woher soll er es, woher soll sie es denn wissen? Es fehlt ja an Erfahrungen.
Genau das will Freddy ändern. Sie schlägt dem (eher schüchternen) Zeno eine Phase vor, in der sich jeder sexuell ausleben soll. Im Idealfall: 30 Partner an 30 Tagen. Ambitioniertes Projekt. Zeno zögert, er hat sich’s in seiner Welt längst bequem gemacht.
Doch Freddy bleibt drauf: "Ein Monat, in dem wir machen können, was wir wollen. Wie ein kurzer Urlaub", sagt sie. Und: "Du hast Schiss." Worauf Zeno erwidert: "Ja, ich hab' Schiss. Ich hab’ Angst, dass wir uns wehtun …" Freddy antwortet: "Ich hab Schiss, dass wir uns wehtun, wenn wir das nicht machen." Das "Spiel" beginnt, Motto: Alles ist erlaubt, bis auf zwei Regeln: Nie mit einer Person zwei Mal und mit keiner, die man kennt. Geredet werden soll darüber auch nicht. Geht das gut?
Popcorn und Bier her, ein Fall für Binge-Watching. Die Zuseher werden hier auf eine Reise durch witzige, schräge, peinliche und unglaubliche spannende Begegnungen mitgenommen. Und Augenzeugen recht expliziter Sexszenen, die aber niemals peinlich, sondern stets zutiefst nachvollziehbar wirken. Man nimmt einen Schluck und mag sich denken: "Das hätte mir so auch passieren können."
So seltsam manche dieser Dates auch wirken mögen – so deutlich wird, dass jedes einzelne davon etwas verhandelt. Ein Bedürfnis, eine Sehnsucht, einen Wunsch – vor allem aber: Fragen an das Leben.
Die Frage ist nur: Wohin führt das alles? Denn eines wird rasch klar: So seltsam manche dieser Dates auch wirken mögen – so deutlich wird, dass jedes einzelne davon etwas verhandelt. Ein Bedürfnis, eine Sehnsucht, einen Wunsch – vor allem aber: Fragen an das Leben. Wie kann und will ich Beziehung überhaupt leben? Wie genau will ich lieben? Wofür bin ich bereit – wofür noch nicht? Und: Wer könnte ich noch aller sein?
Dabei wird deutlich, wie es ist, wenn Menschen auf den "Geschmack" kommen, indem sie Dinge über sich (durch andere) erfahren, die bisher im Dunkeln lagen. Aber ja, großes Plädoyer dafür. Vielleicht nicht zwingend für 30 Tage Kampfsex in den Ring steigen, um Erlebnisse abzuarbeiten, im Sinne einer Fuck-it-List.
Doch rechtzeitig erfahren zu haben, wer man sexuell ist, um sich selbst und andere zufrieden lieben zu können, das hat schon was. Vor allem, um nicht eines Tages in der "FOMO"-Krise zu landen. Wobei das "Sich-erfahren" sowieso niemals enden sollte. Nicht als verkrampftes Alltagsprogramm, sondern in Form von Bewusstheit und Spür-Sinn: Was ist da vielleicht noch? Wer bin ich jetzt, wer bin ich nicht? Was will und brauche ich? Qualität statt Quantität.
Weil es nie zu spät ist, an der eigenen sexuellen Biografie zu schreiben. Was Freddy und Zeno betrifft: Das Ende ist gut, aber überraschend. Sehenswert!
Studie
Wie viel Sex ist "normal"? Heikles Thema. Bei einer 2022 durchgeführten Online-Erhebung gaben knapp 350 Menschen an, deshalb schon einmal beschämt worden zu sein. Eine weitere Arbeit dazu wurde nun von der Soziologin Barbara Rothmüller in "Psychology & Sexuality" veröffentlicht. Darin zeigt sich die große Hartnäckigkeit von Normen und Vorurteilen, etwa in Bezug auf Frauen und sexuelle Minderheiten.
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