Welttierschutztag: Hansi-Burlis Irrflug
Vea Kaiser berichtet in dieser Ausgabe von "Fabelhafte Welt" vom Leben mit Haustieren.
Mein Lieblingstag zu Volksschulzeiten war der Welttierschutztag, denn da durften ausgewählte Haustiere mitgebracht werden. Wie so vieles, was meine Kindheit schön machte, ist das heute wahrscheinlich verboten. In den seligen Neunzigern jedoch waren Hängebauchschweine, Rottweiler und Frettchen einmal jährlich in der Schule willkommen. In der vierten Klasse durfte ich ein Tier aus unserem Familien-Zoo mitbringen: eine Brieftaube. Mein Großvater züchtete hunderte von ihnen über meinem Kinderzimmer. Ich konnte sie nie auseinanderhalten, mein Großvater schon. Er rief sie dennoch alle mit demselben Namen: Hansi-Burli.
Jene Hansi-Burli, die er mir mitgab, war ganz besonders – sogar aus Kassel war sie schon einmal in unser Dorf zurückgeflogen. Da ich bereits als Kind den inneren Drang verspürte, meine Zuhörerschaft gut zu unterhalten, wollte ich mein Referat über Hansi-Burlis Lebensweise und Ernährung mit einer Überraschung beenden, indem ich sie aus dem Klassenfenster nachhause fliegen ließ. Für Hansi-Burli kein Problem, sagte mein Großvater, doch als ich Hansi-Burli auf den Weg schickte, schien sie kurzfristig die Orientierung verloren und vergessen zu haben, dass es draußen nachhause geht und nicht durch das Klassenzimmer.
Hansi-Burli drehte also ihre Runden über die kreischenden Kinderköpfe, entleerte sich mehrfach, ehe sie unter Aufatmen der Lehrerin endlich aus dem Fenster flog. Eine garstige Schulkollegin hänselte mich deshalb bis ans Ende der Volksschulzeit.
Ich denke oft an Hansi-Burli, wenn mir Menschen erklären, dass sie keine Haustiere wollen. Natürlich machen Haustiere viel Mist und Arbeit, und nur allzu selten das, was wir von ihnen erwarten. Aber man erlebt etwas, und wenn ich an die garstige Kollegin denke, die übrigens keine Haustiere hatte, stimmt eines definitiv: Tiere machen uns zu besseren Menschen.
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