Vea Kaiser

Vea Kaisers Kolumne: Der Mensch und das Buffet

Von den aufschlussreichen Naturbeobachtungen, die man in Kleinstadtfußgängerzonen machen kann

Während einer Vortragsreise durch Deutschland strandete ich unlängst in einem China-Restaurant, wo es nur Speisen vom Buffet gab. Seit ich denken kann, überfordern mich Buffets, denn ich vertraue mir nicht. Der Küchenchef wäre garantiert befähigter zu der Entscheidung, wie viel von was man womit kombinieren sollte. Ich lasse ja auch nicht darüber abstimmen, ob Kapitel 2 länger sein soll als Kapitel 10.

Seit ich Kinder habe, bin ich zudem traurig, wenn mir eine Gelegenheit genommen wird, sitzend eine heiße Speise zu genießen. Dennoch trat ich ein. Ich hatte Hunger, was aber noch eine Zeit lang so bleiben sollte: Im Gedrängel nach vorn zu navigieren, ist nicht meine Stärke. Dafür das Beobachten aus dem Hintergrund

Und so stellte ich – ohne zu kosten – fest, dass die Frühlingsrollen in jenem Restaurant köstlich sein mussten. Wann immer die Kellnerin Nachschub brachte, sprangen die Mittagstischler auf, um sie ihr vom Tablett zu spießen. An Buffets grüßt halt jenes Resterl der menschlichen Vergangenheit, das die Evolution noch nicht ausradiert hat: Ja, der Mensch war einst ein hungriges Tier in Konkurrenz zu anderen Tieren, das sich auf der Jagd nach Nahrung durch die Urzeit bewegte. 

Das erklärt wahrscheinlich auch, warum manche so gar nicht wählerisch bei der Speisenzusammensetzung sind, wobei: Über Geschmack ist nicht zu streiten. Und so möchte ich keinesfalls kritisieren, dass die Dame vor mir eine halbe Flasche Ketchup über ihr süß-saures Huhn goss, ehe sie einige Stück Sushi und etwas Sojasprossensalat darauf positionierte. 
Hoffen wir, es hat ihr geschmeckt. Herausgefunden habe ich das nicht mehr, ich war nach zehn Minuten am Buffet satt und ging. Eindrücke füllen nicht nur den Kopf, sondern auch den Magen. Und wenig ist so eindrücklich wie das Wildtier Mensch an der Futterstelle. 

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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