
Guidos Kolumne: Als das Fernsehen noch Pause machte
Ein halber Sender, ein Testbild nach der Hymne und Fußball aus dem Radio: warum nicht alles, was später bunt wurde, besser war.
Als wir in den frühen Siebzigerjahren unseren ersten eigenen Fernseher bekamen, war ich ungeheuer stolz. Das Ding war absurd groß und unförmig und sehr schwer und zeigte natürlich Schwarzweiß-Bilder. Zu empfangen gab es eineinhalb Sender, FS2 kam nur herein, wenn der Wind aus der richtigen Richtung blies.
Damals war es auch überhaupt nicht klar, dass immer etwas gesendet wurde. War das Programm vorbei, gab es zuerst die Bundeshymne und danach das sogenannte Testbild. Ein 24-Stunden-Sendebetrieb galt damals als guter Witz, als Utopie, die wohl nie Realität werden würde. Manche wichtigen Fußballspiele wurden im Fernsehen übertragen, Robert Seeger kommentierte mit schnarrender Stimme.
Andere Fußballspiele liefen im Radio, wobei der Kommentator zweimal 45 Minuten lang durchredete und jede Spielszene beschrieb – etwas, was heute vermutlich niemand mehr kann. Ich liebte diese Radioübertragungen, ich stand in meinem Kinderzimmer und versuchte, die geschilderten Situationen nachzuspielen, wobei mein Stoffwildschwein als Ball diente.
Niemals danach habe ich mich Fußballmatches so nah gefühlt. Zur WM 1978 schenkte mir mein Vater feierlich meinen ersten eigenen Fernseher, ein kleines Kastl, damit ich die Spiele der Fußball-WM auch mitten in der Nacht schauen konnte, ohne die Familie zu stören.
Der Fernseher war orange, aber das machte mir nichts, ich war stolz und sah die halbe Nacht lang Fußball. Wenn wir später meine Großmutter besuchten, sah ich bei ihr Wimbledon-Übertragungen, denn sie hatte einen Farbfernseher. Björn Borg und John McEnroe sind meine frühesten Erinnerungen an Tennis.
Als wir dann selbst einen Farbfernseher bekamen, war das für mich fast eine Enttäuschung – mir hatte die Welt in Schwarzweiß eigentlich gut gefallen. Man sah nicht alles so genau, und das ist oft von Vorteil.
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