Guido Tartarotti

Guidos Kolumne: Ich wohne zurzeit wieder in meinem Kinderzimmer

In meinem alten Zimmer zu schlafen ist natürlich ein wenig seltsam – vor 35 Jahren bin ich hier ausgezogen – aber ich fühle mich wohl.

Ich wohne zurzeit wieder in meinem Kinderzimmer, und das kam so: Nach einer Nasen-Operation war ich ein wenig hilfs- und pflegebedürftig und habe das Angebot meiner Mutter, für zwei Wochen bei ihr einzuziehen, dankbar angenommen. 

Meine Mutter hilft mir vor allem bei der kompliziertesten Tätigkeit nach einer Nasen-OP, dem Haarewaschen, denn der Verband auf der Nase darf nicht nass werden. Außerdem kocht sie gerne und gut für ihre Familie, und ich esse mindestens so gerne, wie sie kocht. 

In meinem alten Zimmer zu schlafen ist natürlich ein wenig seltsam – vor 35 Jahren bin ich hier ausgezogen – aber ich fühle mich wohl. Mein Körper hat sich sofort daran erinnert, dass er hier immer gut geschlafen hat, und ich schlafe tief und fest. Nicht einmal die Tatsache, dass der Hund meiner Mutter manchmal nachts die Stiegen auf und ab geht, kann mich vom Schlafen abhalten.

Dieses Zimmer erinnert mich vor allem an gute und verrückte Zeiten. Etwa, dass ich mit 16 manchmal in der Nacht aus dem Fenster geklettert und ins U4 gefahren bin. Die Tat war dabei aufregender als das Erlebnis selbst – im U4 war mir meistens fad, und Geld für Getränke hatte ich sowieso nicht. 

In diesem Zimmer habe ich auch meine ersten erotischen Erfahrungen gemacht, wobei die über heftiges Schmusen meist nicht hinausgingen. Ich war, was das betrifft, ein ziemlicher Spätstarter. Aber in diesem Zimmer habe ich vor allem Musik gehört, und zwar immer dann, wenn ich vorgab, zu lernen. Hier habe ich die Rockmusik für mich entdeckt. 

Und hier träumte ich auch die ersten Träume vom Berufsleben. Ich wollte entweder Rockstar oder Journalist werden, und dass mir eines davon gelungen ist, finde ich immer noch sehr schön. Hier stellte ich mir vor, wie es sich anfühlt, eine Kolumne zu schreiben, zum Beispiel über mein Kinderzimmer.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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