
Vea Kaisers Kolumne: Alberne Konstruktionen
Von den weitreichenden Auswirkungen der Das-kann-man-vielleicht-noch-brauchen-Mentalität
Seit drei Jahren räumen wir das Haus meiner verstorbenen Großeltern aus, nachdem meine Großeltern es sechzig Jahre lang einräumten. Sobald ein Raum voll war, baute Opa noch einen Anbau / Schupfen / Lagerfläche, damit man bloß nichts weggeben muss. Sie lebten getreu dem Motto: "Man weiß ja nicht, wofür man das noch brauchen kann."
Meine Großeltern wuchsen mit Not und Mangel auf. Doch dass sie für 98 % der Dinge, die sie aufhoben, nie eine andere Verwendung hatten als das Aufheben selbst, bringt uns zum Verzweifeln. Sogar für meine sonst unbändige Fantasie sind die Fundstücke eine Herausforderung: Wofür könnte man dreißig löchrige Schlosserhosen brauchen? Eine defekte Seilwinde aus Vorkriegszeiten? Medikamente, die vor meiner Geburt abgelaufen sind?
Zumindest für ein undichtes Fass fand ich Verwendung: Es steht nun als Beistelltisch in unserem Garten und ein Kohlmeisen-Weibchen brütet im Inneren. Über Wochen beobachtete ich, wie die Kohlmeise Nestmaterial in das Spundloch trug und war mütterlich-solidarisch davon berührt, dass die Natur tut, was die Natur eben tut.
Doch dann ging die Natur zu weit: Die Katzen unserer neu eingezogenen Nachbarn bemerkten das und legten sich auf die Lauer. Ich war verzweifelt: Sollte ich der Natur ihren Lauf lassen oder die Katzen vertreiben? Ich versuchte, den Hund zum Kohlmeisenbodyguard auszubilden, aber der jagte die Katzen ein paar Mal davon, dann wurde es ihm zu mühsam und nun sind sie Freunde.
Schlussendlich konsultierte ich den Fundus meiner Großeltern und baute aus Latten und Wühlmausgitter einen Kohlmeisen-Brut-Fass-Vorgarten. Das sieht albern aus und ich wurde schon gefragt, warum mein dreijähriger Sohn ein Fass einsperren will. Was mir jetzt weniger albern vorkommt: Klumpert aufzuheben. Man weiß ja wirklich nicht, wofür man es noch brauchen kann.
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