Lang lebe die Tüte: Niemand bestellt in Wien "Eis im Stanitzel"

Unpopular Opinion: In Wien ist es verpönt, zum Sackerl Tüte zu sagen. Da kommt höchstens Eis rein. Aber was ist mit "Tomaten" und "Kartoffeln"?

Alles fing mit einem harmlosen Tweet an: 

Mal wieder ein Beweis dafür, dass die deutsche Sprache voller Missverständnisse ist. Sichtbar werden diese vor allem, wenn man lokale Ausdrücke genauer betrachtet: Der typische Deutsche in Wien lernt schnell, dass man im Supermarkt keine Tüte sondern ein Sackerl bestellen muss. Doch es gilt, beim Vokabular auf die Details zu achten.

  1. Eigentlich ist so eine Eistüte theoretisch ein Stanitzel. Aus irgendeinem Grund kommt dieses Vokabel in Wien beim Eisbestellen nicht zur Anwendung. Für mich war das als Kind schon eine Tüte - und ich behaupte, dass jeder Österreicher beim Wort Tüte an ein Stanitzel denkt. (Siehe Schultüte oder eben Eistüte). Ich möchte gleich vorweg nehmen, dass ich als Kind kein Kabelfernsehen hatte, und somit vom "Piefkinesisch" lange verschont geblieben bin.
  2. Ein Sackerl ist und bleibt ein Sackerl. Warum sollte ich meine Einkäufe in eine Tüte (also ein Stanitzel) packen? Wäre sehr unpraktisch, da die Tüte keine Henkel hat. 
  3. Eine Waffel isst man im Eissalon zum Bechereis, wenn man sich hinsetzt. Um genau zu sein handelt es sich dabei um diese letscherten flachen Dinger. Die runden heißen Hohlhippen. Weil sie innen hohl sind, eh klar. 

Was ist ein Stanitzel?

Ein Stanitzel hat die selbe Form wie eine - ja! - Tüte. Es handelt sich dabei um ein spitz zusammengedrehtes Papier mit einer breiten Öffnung. Man kann darin zum Beispiel Pommes servieren. Das Wort verliert aber zunehmend an Bedeutung, was sicher mit der sogenannten "Germanisierung" der österreichischen Sprache zu tun hat. Dass wir Österreicher eigenwillig sind, und deutsche Wörter so verwenden, wie WIR es für richtig halten, soll hier nicht zur Diskussion stehen. 

Was deutsche und österreichische Bewohner Wiens wahrscheinlich in gleichem Maß verwirrt: Gymnasiasten reden dieser Tage oft "Piefkinesisch". Deutsche Youtuber tagen die Schuld. Das Phänomen verflüchtigt sich, umso weiter man in den Westen geht. In Tirol werden Jugendliche eher gemobbt, wenn sie wie Berliner Gangsta-Rapper sprechen, meint die Tiroler Kollegin.

Bleibt nur noch eines zu klären:

Tomaten oder Paradeiser?

Es gibt eine ewige Diskussion darüber, ob man in Österreich Tomaten statt Paradeiser sagen darf. Oder Kartoffeln statt Erdäpfel. Grob gesagt: Im Westen Österreichs spielt die bundesdeutsche Ausdrucksweise eine größere Rolle als im Osten, was der geografischen Nähe geschuldet ist. Meiner Waldviertler Oma sind "Tomaten" und "Kartoffeln" sicher nie über die Lippen gekommen. Mir als Wienerin schon, gebe ich zu. Wobei: Wenn man phonetisch "Domaaatn" sagt, kann kaum von Germanisierung die Rede sein, oder? 

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Sandra Keplinger

Über Sandra Keplinger

Seit Sommer 2021 im KURIER Medienhaus, zuerst als Digital Producer für die Freizeit, jetzt im Audience Development tätig. Sie arbeitete als Foto- und Modechefin beim WIENER, schrieb über das Mode-Business in der DIVA und war CvD bei Falstaff.

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