Niemand sagt in Wien ernsthaft “Eitrige” zur Käsekrainer
Seien Sie doch ehrlich: Bestellen Sie ernsthaft eine “Eitrige” beim Würstelstand, oder nicht doch eher eine Käsekrainer?
Gleich einmal vorweg: Ich bin waschechte Wienerin. Ich gebe zu, ich bin in Währing und Grinzing aufgewachsen, aber habe einen großen Teil meines Lebens im Gemeindebau verbracht. Ich komme nicht aus einer Akademikerfamilie, dementsprechend bilde ich mir ein, einiges vom Wiener Slang zu verstehen (und ihn zu verstehen).
Natürlich habe ich als Wienerin unzählige Male in meinem Leben Käsekrainer gegessen – in Studententagen am liebsten um 4.00 Uhr in der Früh beim Leo am Gürtel, Höhe Nußdorferstraße. Habe ich dort je eine “Eitrige” bestellt? Nie! Es wäre mir äußerst peinlich gewesen, weil ich es nie als authentisch empfunden habe.
Wer bestellt schon ernsthaft eine “Eitrige und a...” (ich muss das jetzt wirklich schnell googeln - ahja) “... a 16er-Blech". Keine Sau! Mal abgesehen davon, dass ich Ottakringer für das übelste Gesöff aller Zeiten halte (Team Stiegl), kommt mir diese Art zu bestellen sehr prätentiös vor. Das machen nur Leute, die etwas zu beweisen haben. Da fallen mir Hochdeutsch sprechende Akademiker ein, die ihre vermeintliche Bodenständigkeit in der Öffentlichkeit zur Schau stellen wollen. Oder deutsche Studenten.
Deutsche Studenten sind generell Opfer des Wiener Slangs – und das tut mir ehrlich leid. Zuerst müssen sie sich an den Wiener Schmäh gewöhnen. Wenn sie ihn endlich verstehen, sowohl phonetisch als auch inhaltlich, wird ihnen von den Wiener Kollegen allerlei lustiges Vokabular beigebracht. Da wäre der berühmte “Oachkatzlschwoaf” (nur da, um Zugezogene zu ärgern), die “derrische Kapelln” (ebenso) und eben die “Eitrige”. Dieses obsolete Wort hört man gefühlt nur noch von Deutschen, die sich gut eingebürgert und integriert fühlen.
Also – falls Sie aus Deutschland kommen und in Wien leben: Wenn Sie wirklich Wienerisch lernen wollen, lassen Sie sich nix einreden! Hören Sie zu und lesen Sie ab und zu die Wiener Alltagspoeten auf Instagram. Nichts zu danken, gern gescheh’n.
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