Polly Adlers Kolumne: Kommunikations-Burnout

Smalltalk ist so anstrengend wie ein Laufband-Besuch mit Hangover.

Kürzlich war ich auf einer Hochzeit in der Südsteiermark und kannte keinen Menschen außer den Verbindungswilligen.

Ich hatte absolut  keine Kraft für dieses "Hallo, ich bin die Tralala und eh total offen. Freut mich narrisch, Sie kennen zu lernen. Wer sind Sie überhaupt?" Stand also wie ein trauriger Restposten im Gewusel und bin nach 20 Minuten sehr englisch abgegangen. 

Smalltalk ist so anstrengend, wie mit einem Hangover, ein Laufband bezwingen zu wollen. 

Aus den Wortfetzen der Aperol-nippenden Menschen konnte man abhören, dass es sehr häufig um die Brutpflege und die damit verbundenen Widrigkeiten ging. Kommunikations-Burnout, volle Kraft voraus. 

Ich schlittere ja schon inzwischen in eine Altersgruppe, wo konversationstechnisch ein ebenso ermüdendes Hauptaugenmerk auf medizinische Beschwerden gelegt wird. 

Viel Blutdruck-Brimborium, Hüft-Hoppalas und Reflux-Rambazamba, unterfüttert von einem hochexklusiven Unter-der-Hand-Handel an Geheimtipps von Arzt-Kapazitäten ("Für Gallensteine ist der Doc XY der beste, don’t tell anybody, schöne Grüße von mir …"). 

Bei meinem letzten Arztbesuch hat mir der Internist auch mit ernster Miene ein Blutdruckmessgerät nahe gelegt. Ich hab mir sogar eines in Amazonien bestellt, aber allein die Lektüre der Betriebsanleitung bringt mich in Wallung. Jetzt steht es also wie ein malerisches Mahnmal im Regal der ungeliebten Gegenstände (gleich neben dem Alko-Messgerät und den Schlupfwespen-Kärtchen). 

Kürzlich seufzte eine Freundin nach dem Besuch einer Cocktail-Veranstaltung: "Es ist so elend, wie unfassbar fad die Leute sind ... ich sterbe!" Deswegen habe ich beschlossen, die schrägen, die schmähgeladenen, die unvernünftigen, die kreativen und (immer wichtiger) herzlichen Menschen in meiner sozialen Parkgarage wie Fabergé-Eier zu behandeln. 

Denn, wie eine andere Freundin immer zu warnen pflegt: "Wir sind einfach schon zu alt für neue Freunde. Man kann nicht mehr bei Adam und Eva anfangen in der Beziehungspflege. Soviel Zeit haben wir nicht mehr." Ich fürchte, sie hat Recht.

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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