Polly Adlers Kolumne: Kein Verband "gegenseitiger Zerstörung"

Ein Hoch auf die MOM-Ehe und warum Leidenschaft häufig bei Müllsack-Debatten endet.

Wie ich fand, führte meine Freundin F eine prachtvolle Ehe. Sie klebte mit ihrem Heinzi nicht ständig aufeinander. Sie überließen einander ausreichend atmungsaktiven Raum: getrennte Schlafzimmer, manchmal sogar getrennte Urlaube. Sie nahmen sich immer wieder auf den Arm, ließen sich aber dabei nie gehen.

Wie sie es mit der Treue hielten, blieb nebulos. Aber ich hatte den Eindruck, dass selbst ein paar Amourettln ihre Beziehung, die sich aus Freundschaft nährte, nicht hätten erschüttern können. Sie lebte das exakte Gegenteil von dem, was die dramensüchtige Coco Chanel einst forderte: "Liebe darf keine Hilfsorganisation, sondern muss ein Verband gegenseitiger Zerstörung sein." Coco-Chérie, das macht doch auf Dauer keinen schönen Teint!

Leidenschaft gibt es doch maximal für ein Jahr, dann kommt schon die Nummer mit "Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du Müllsäcke nachkaufen musst!" Ich hatte jedenfalls das Gefühl, dass dieses Lockerheitskonzept dem Respektlevel zwischen Heinzi und F extrem gut tat: Nach all den Jahren freuten sie sich authentisch aufeinander und hatten Erzählstoff.

Kürzlich vibrierten die US-Medien in wohliger Empörung: Der betagte Entertainment-Mogul Barry Diller, ewig mit der Wickelkleid-Queen Diane von Fürstenberg, 78, verheiratet, outet sich als schwul: "Es gab viele Männer, aber nur eine Frau in meinem Leben." Solche Ehen hatten ja früher in Jetset-Kreisen Tradition, bei allem Koks-an-Champagner-Hedonismus brauchte man dann doch noch sowas wie ein Feigenblatt, um die Spießer-Nattern ruhig zu stellen.

Ich würde mit meinen zwei best gay Buddies sofort MOM-Ehen (neumodische Abkürzung für "mixed orientation marriages") eingehen, so lustig wie die sind "Heten" (normativ Heterosexuelle) kaum. Ottolenghi und Oper olé! Absurderweise habe ich mit denen auch schon die romantischsten Orte der Welt bereist. Nur zappeln beide noch in Verstrickungen der Leidenschaft mit Männern. Langweiler, die! 

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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