Polly Adlers Kolumne: Langeweile an Matcha-Latte

Hugh Grant ist ein hinreißend durchschnittlicher Schauspieler, der am Burgtheater wahrscheinlich keine drei Tage überleben würde. Aber mit der Fresse konnte nicht viel schiefgehen. Ich bin trotzdem ein glühender Fan, weil der Mann unfassbar lustig in Interviews ist und mit Sätzen wie "Ich mache so viel Pilates, dass mir bereits eine Vagina gewachsen ist" um sich wirft.

Kürzlich beschwerte er sich bei Graham Norton (beste britische Talkshowkraft), dass "das Leben auf Filmsets" so langweilig geworden ist. Früher habe man sich beim Warm-up mit der Crew bereits "völlig betrunken", eine Woche später wurde in den jeweiligen Trailerwägen bereits heftig "rumgemacht", die ersten großen Dramen, bedingt durch die Tatsache, dass manche (gerne die Damen) Sex mit Liebe verwechselten, stellten sich dann zur Mitte des Drehs ein.

Der einzige Regisseur, auf dessen Sets es noch anständig sündenhaft zuginge, sei Quentin Tarantino, ansonsten: "Mit einem Matcha-Latte mit Pumpkin-Spice gehen die jungen Leute nach Hause, legen sich nach Stretch-Übungen ins Bett", um dort, so sinngemäß, in Twitterstan und Instagramhausen ihrem Verstand langsam Adieu zu sagen.

Ich bin bei ihm. Natürlich wäre ich gerne 20 Jahre jünger, allein aus dem Grund, dass der Horizont an Möglichkeiten so viel weiter wäre, aber bitte nur mit einem Ticket in die Vergangenheit: die 1990er-Jahre waren gottvoll, vor allem im Journalismus. Man soff mit Norman Mailer im Bristol, turnte durch die Dragqueen-Szene in New York, ließ sich von Unterweltkönigen Tätowierungen zeigen und vom Mick Jagger unter den Starköchen um drei Uhr morgens eine Eierspeis kochen undundund.

Im Club zum vernünftigen Lebensstil hatte man natürlich nicht um eine Mitgliedschaft angesucht, wofür jetzt, weit jenseits der Lebensmitte, Zahltag ausgeschrieben wird. Geschenkt, Körper! Kürzlich flatterte mir eine Geburtstagseinladung mit einem Ernst-Jandl-Zitat ins Postfach. Dort stand zu lesen: "wir sind jung. und das war schön." I feel you, bro.