Polly Adlers Kolumne

Polly Adlers Kolumne: Totalschaden mit Botschaft

Ein türkischer Reisebus, ein zerquetschter Golf und eine Polizistin mit Zange: über Wut, Würde – und die überraschenden Wege, wie uns das Leben zum Bahnfahren bekehrt.

Ich begann wie wild zu hupen. Der türkische Reisebus drängte sich so in meine Spur, dass er meinen Seitenspiegel stetig zu zermerschern begann. 

Nach der Erledigung der Zerstörung wollte der Chauffeur einfach weiterfahren und dachte sich wahrscheinlich ein knappes: „Die kann mich mal.“ Kurz perplex vor soviel ungerührter Dreistigkeit, bog ich auf dessen Spur ab und stellte mich so dem Bus in den Weg. Womit ich nicht gerechnet hatte, war, dass der Typ aus dem Stillstand einen Anlauf nahm und mir ohne Not in die Seitenflanke donnerte, Subtext: „Ich habe hier den längeren, du Golf-Schabracke!“ 

Der Mechaniker sollte später seine Stirn in Sorgenfalten schlagen: „Totalschaden.“ Die Polizistin, die sich mit zwei Frischlingen eingefunden hatte, war von überschaubarer Freundlichkeit. Als ich sie bat, das zerschepperte, an der Seite baumelnde Glasstück mit ihrem Werkzeug abzuzwicken, drückte sie mir eine Zange in die Hand und sagte: „Das machen Sie bitte selber. Sonst heißt es dann noch, ich habe das kaputt gemacht.“ 

Ein gewaltiger Misstrauensvorschuss in die Menschheit ist möglicherweise die beste Voraussetzung für diesen Beruf. Am Abend setzte ich zu einem Philosophikum mit mir selbst an: Hätte ich den Typen ungehindert weiterfahren lassen, wäre mir nichts als ein vergleichsweise kleiner Schaden geblieben.  

Aber wahrscheinlich hätte sich der Ärger, der Unverschämtheit des Fahrers den Vorrang gegeben zu haben, in meine Psyche fest gefressen. Dass jemand aus purer Lust an der Aggression einen Fast-Totalschaden verursacht, entzieht sich meinem Logik-Alphabet, aber mit präpotenter Dummheit ist immer zu rechnen. 

Nur: Diese Geisteshaltung auf der Feststelltaste macht auch ein graues Gemüt. Deswegen entschloss ich mich für die Glückskeks-Weisheit Nimm das Unglück als Chance und flüsterte mir: „Vielleicht will das Universum, dass du mehr Zug fährst.“ Ist das dieses positive Denken, von dem die Klangschalen-Karins immer reden? Willkommen!

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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