Der Beckenrand-Torero

Entscheidungsschwächlinge zwischen Vernunft und Leidenschaft.

Darf ich vorstellen: der Beckenrand-Torero! In x-facher Ausführung purzelte mir dieser Männertypus kürzlich ins Radarsystem. Der Beckenrand-Torero ist in einer fixen Beziehung verankert, mit regelmäßigen warmen Mahlzeiten und in wohliger Ereignislosigkeit. Wenn er einer Frau begegnet, die ihn  aus dieser soliden Ruhe wachrüttelt, wird er, nach gewissen Balz-Turnübungen, nicht müde, dem Subjekt seiner Begierde zu beteuern, wie langweilig und lähmend dieser Zustand eigentlich sei und dass schon seit Jahren nichts mehr laufe. Und es nur mehr eine Frage der Zeit sei, bis man alles geregelt habe, um endlich Hollywood ohne Ablaufdatum mit der neuen Angebeteten ausleben zu können. Dazu lässt er Sätze wie „Wo warst du mein ganzes Leben?“ ab, die wie aus dem Drehbuch eines knapp vor dem Burn-out stehenden Rosamunde-Pilcher-Autors wirken.

Er entwickelt kunstvolle Lügengeflechte, um dieses Pendlertum zwischen Vernunft und Leidenschaft organisatorisch unter Kontrolle zu kriegen. Anglerausflüge mit den Kumpels, Führungskräfteseminare werden bemüht, um die Fixfrau nicht aus dem Ruder zu bringen. Auf der bunten Seite des Lebens werden Durchhalteparolen los gelassen: Ihrem Vater geht es gerade nicht so gut, nächste Woche dann wirklich, ich versprech’s, die Börse ist gerade im freien Fall, Venus im Quadrat ... Und irgendwann, meist nach Monaten, wenn seine Hormone wieder schläfrig wie Nacktschnecken in der Mittagssonne werden und seine Lavendelmaschine mit all ihren Versprechen und romantischem Geschwurbel erkaltet ist, kommt dann eine dürre Whats-App-Nachricht: „Es tut mir so leid, aber ...“  Nichts macht einen Mann so unsexy wie ein Mangel an Selbstironie und Feigheit.

„Es sind nicht unsere Fähigkeiten, sondern die Entscheidungen, die einen Charakter offen legen“, sagte meine Freundin B theatralisch und ertränkte den schalen Nachgeschmack ihres Beckenrand-Toreros   in  einem Mixgetränk für Erwachsene.  

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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