Guido Tartarotti

Guidos Kolumne: Der Freund, der alles konnte

Über meinen Kindheitsfreund, der alles konnte, seinen Absturz und einen unerwarteten Neubeginn.

Als ich ein Kind war, hatte ich einen Freund, der konnte alles besser. Er war so gut in allem, dass er eigentlich unsympathisch hätte sein müssen. Aber dieser Mensch war sogar besser darin als alle anderen, sympathisch zu sein. Er konnte besser Fußball spielen als alle anderen Kinder im Ort. Er konnte schneller laufen und weiter springen als alle anderen. Er konnte auch besser und höher und schneller auf Bäume klettern.

Natürlich konnte er auch wunderbar singen, Klavier spielen und die Gitarre bearbeiten. Wenn ich mich richtig erinnere, schrieb er sogar eigene Kompositionen und Gedichte, etwas, das allen anderen vollkommen rätselhaft war. Auch zeichnen konnte er erstklassig. Während unsere Bilder aussahen wie Flecken auf einem gewagt gemusterten Teppich, war bei ihm zu erkennen, was er abbilden wollte. In der Schule war er natürlich brillant, egal, ob in Mathematik oder Deutsch. Sprachen lernte er ebenso leicht wie Sportarten. Bei den Mädchen war er beliebt, es fiel ihm leicht, zu flirten oder Aufrisse zu machen. Die Liebe machte ihm nie Herzweh, für ihn war sie wie ein Spiel, das er blendend beherrschte.

Als Erwachsener wurde er dann Unternehmer, er gründete mehrere Firmen und war ein Jungstar der Wirtschaftsszene. Mehrere Zeitungen berichteten über ihn, natürlich sah er auf allen Fotos großartig aus. Er fuhr ein elegantes Auto und bewohnte ein feines Haus, er trug nur die besten Anzüge.

Als er dann in Konkurs ging und wegen krimineller finanzieller Machenschaften im Gefängnis landete, gab es nicht wenige, die zufrieden lächelten. Als er wieder aus dem Gefängnis kam, verschwand er zunächst für einige Jahre.

Manche sagten, er betreibe eine Berghütte, andere meinten, er sei Barbesitzer in der Südsee. Dann war er eines Tages wieder da und wurde Priester, und zwar ein guter. Und die Ehen, die er schloss, hielten besonders lange.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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