Warum Radfahren heute ein Privileg ist

Menschen mit höherer Bildung, die in Städten leben, treten öfter in die Pedale als weniger Gebildete am Land.

Der Kölner Soziologe Ansgar Hudde forscht zu Fahrradmobilität und Bildungsniveau. Er hat 800.000 Wege ausgewertet, die 55.000 Befragte zurückgelegt haben.

Herr Hudde, Sie haben eruiert, wie lange Stadtbewohner, die Matura oder mehr abgeschlossen haben, Rad fahren. Wie viele Minuten pro Woche sind es?

Ansgar Hudde: Im Schnitt 70 Minuten. Jeder Fünfte aus dieser Gruppe erreicht sogar nur durchs Radfahren jene 150 Minuten Bewegung mit moderater Intensität, die von der WHO empfohlen werden.

Fährt diese Gruppe mehr als etwa in den 1990er-Jahren?

Ja, wir sehen da sogar eine Verdoppelung von 35 auf 70 Minuten.

Und wie ist das bei jenen, die in weniger urbanen Gegenden wohnen und keine Matura haben?

Da sind es nur 25 Minuten pro Woche. Dabei dürfen wir aber nie vergessen: das sind Durchschnittswerte. Natürlich gibt’s auch Städter mit höherer Bildung, die nie in die Pedale treten, und Personen in ländlicheren Gebieten mit niedrigerer formaler Bildung, die dauernd mit dem Rad unterwegs sind.

Was beeinflusst unser Mobilitätsverhalten mehr, der Bildungsgrad oder das Stadt-Land-Gefälle?

Grob gesagt: die Unterschiede nach dem Wohnort sind ähnlich groß wie jene nach der Bildung.

Werden die Radfahrenden mehr, weil mehr Gebildete umsteigen oder weil es mehr Gebildete gibt?

Beide Effekte tragen dazu bei. Im Jahr 1996 fiel einer von zwölf in die Kategorie „wohnt in größerer Stadt und hat Matura“, heute ist es einer von sechs. Insgesamt trägt aber die Änderung im Verhalten mehr zum Fahrradboom bei.

Die Generation „Boomer“ ist noch mit dem Auto als zentrales Statussymbol aufgewachsen. Das Rad wurde belächelt. Wann datieren Sie den Paradigmenwechsel?

Da beobachten wir eher einen kontinuierlichen Wandel.

Warum steigen Menschen vom Auto aufs Fahrrad um?

Bisherige Studien zeigen: Man wählt sein Verkehrsmittel nicht nur nach Preis oder Reisedauer, sondern auch nach der sozialen Bedeutung eines Verkehrsmittels.

Die da wäre?

Stellen Sie sich zwei Szenarien bei einem Blind Date vor: Beim einen kommt jemand mit einem Luxusauto, beim anderen mit einem Fahrrad vom Flohmarkt. Die Verkehrsmittelwahl hat hier auch eine symbolische Komponente.

Fährt diese Gruppe mehr als etwa in den 1990er-Jahren?

Ja, wir sehen da sogar eine Verdoppelung von 35 auf 70 Minuten.

Und wie ist das bei jenen, die in weniger urbanen Gegenden wohnen und keine Matura haben?

Da sind es nur 25 Minuten pro Woche. Dabei dürfen wir aber nie vergessen: das sind Durchschnittswerte. Natürlich gibt’s auch Städter mit höherer Bildung, die nie in die Pedale treten, und Personen in ländlicheren Gebieten mit niedrigerer formaler Bildung, die dauernd mit dem Rad unterwegs sind.

Was beeinflusst unser Mobilitätsverhalten mehr, der Bildungsgrad oder das Stadt-Land-Gefälle?

Grob gesagt: die Unterschiede nach dem Wohnort sind ähnlich groß wie jene nach der Bildung.

Werden die Radfahrenden mehr, weil mehr Gebildete umsteigen oder weil es mehr Gebildete gibt?

Beide Effekte tragen dazu bei. Im Jahr 1996 fiel einer von zwölf in die Kategorie „wohnt in größerer Stadt und hat Matura“, heute ist es einer von sechs. Insgesamt trägt aber die Änderung im Verhalten mehr zum Fahrradboom bei.

Die Generation „Boomer“ ist noch mit dem Auto als zentrales Statussymbol aufgewachsen. Das Rad wurde belächelt. Wann datieren Sie den Paradigmenwechsel?

Da beobachten wir eher einen kontinuierlichen Wandel.

Warum steigen Menschen vom Auto aufs Fahrrad um?

Bisherige Studien zeigen: Man wählt sein Verkehrsmittel nicht nur nach Preis oder Reisedauer, sondern auch nach der sozialen Bedeutung eines Verkehrsmittels.

Die da wäre?

Stellen Sie sich zwei Szenarien bei einem Blind Date vor: Beim einen kommt jemand mit einem Luxusauto, beim anderen mit einem Fahrrad vom Flohmarkt. Die Verkehrsmittelwahl hat hier auch eine symbolische Komponente.

Was wird konkret symbolisiert?

Wer zeigen will, dass er beruflich erfolgreich ist, wählt eher das Auto. Wer zeigen will, dass er modern, gesundheits- und umweltbewusst ist, eher das Fahrrad. Dazu passt: Personen mit höherer Bildung laufen tendenziell nicht Gefahr, dass sie als arm oder beruflich erfolglos wahrgenommen werden, wenn sie mit dem Rad ankommen. Sie können damit sogar an Status gewinnen. Dagegen können Personen mit weniger hohen Bildungsabschlüssen ein teures Auto eher nutzen, um zu zeigen, dass sie es zu Wohlstand gebracht haben.

Naht jetzt das Ende des Autos?

Nein. Die Zahl an Autos pro Haushalt ist in den ländlicheren Regionen seit den 1990ern leicht angestiegen und in den Städten weitgehend konstant geblieben. Der Unterschied ist die Verkehrsmittelnutzung, nicht der Verkehrsmittelbesitz. Offenbar wollen auch die Radfahrenden nicht ganz auf ihr Auto verzichten. So ist der Kfz-Besitz pro Kopf in den Niederlanden, wo deutlich mehr Fahrrad gefahren wird als etwa in Österreich, nur um zehn Prozent niedriger.

Was muss zeitgemäße Stadtentwicklung beachten?

Studien zeigen, dass Städte mit mehr Raum für Menschen, die mit dem Rad und zu Fuß unterwegs sind, belebter, kommunikativer, gesünder, lebenswerter sind. Wenn der Radverkehr hier aber sein volles Potenzial entfalten soll, muss die Radverkehrsförderung alle gesellschaftlichen Gruppen erreichen – das geschieht aktuell noch nicht.

Uwe Mauch

Über Uwe Mauch

Uwe Mauch, geboren 1966 in Wien, seit 1995 Redakteur beim KURIER, Autor lebensnaher Porträts und Reportagen sowie zahlreicher Bücher, unter anderem: "Unsere Nachbarn", "Wien und der Fußball", "Lokalmatadore", "In 80 Arbeitstagen um die Welt", "Stiege 8/Tür 7. Homestorys aus dem Wiener Gemeindebau", "Die Armen von Wien" (2016) sowie eines "Wien"- und eines "Zagreb"-Stadtführers.

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