Allein schon die Umkleiden sind die Reise wert...
Ein Spaziergang von der Praterstraße über den Donaupark bis zur Alten Donau.
Im Beipacktext zu diesem Stadtspaziergang steht: Machen Sie sich nicht zu spät auf den Weg. Und nehmen Sie sich, einmal am Ziel, nichts anderes mehr vor. Widmen Sie diesem Weg also mehr Zeit, als die rund 8.000 Schritte benötigen, und Sie werden dafür reichlich belohnt werden. Und wenn Sie irgendwo auf dem Weg qualifiziert abbiegen oder einen Abschneider machen – dann haben Sie längst begriffen, worum es bei diesen Spaziergängen geht: Schritt für Schritt zur selbstbestimmten Lebensfreude.
Ich starte in der Praterstraße auf Nummer 1, dort, wo der Boulevard durch die Leopoldstadt noch familiär und unbeschädigt vom ständig fließenden Verkehr ist. Gehe die Praterstraße Richtung Praterstern, unterbreche den Spaziergang, um im „Balthasar“ im Stehen einen köstlichen Espresso zu nehmen, gehe weiter, bewundere einmal mehr Oskar Marmoreks Nestroyhof, stecke meinen Kopf in den Dogenhof mit seinen unnachahmlich abseitigen Angeboten, dann hole ich mir neben der Aida am Praterstern bei „Aleppo Sweets“ wunderbare Blätterteigleckerbissen für später.
Auf dem Praterstern selbst wird gebaut, Devise: mehr grün, Entzerrung des Fußgängerverkehrs. Ich freue mich ja über jeden neuen Baum, der in Wien gepflanzt wird, sehe aber in der Venediger Au das Gegenteil, die nächste Baustelle. Eine neue Sporthalle soll den bisherigen Fußballplatz ersetzen. Die Bagger sind anwesend. Weiter zur Reichsbrücke gehe ich jetzt nicht auf der stark befahrenen Lasallestraße, sondern durch die Ybbs- und die Vorgartenstraße, dann führt mich der Fußgängerweg unter Autofahrbahnen und parallel zur U-Bahn-Trasse über die Donau, vibrierend, lärmend: Die Reichsbrücke, erlebe ich hier, ist eine Maschine.
Auf der Donauinsel verlasse ich die Brücke, steige ab zur Neuen Donau, drücke mich durch den Gastrorummel, der sich hier zusammenklumpt, und gehe über die schwankende „Ponte Cagrana“ hinüber zum neu renovierten Donau-City-seitigen Ufer und von dort weiter Richtung Donaupark. Die Müßiggänger am Wasser habe ich bald hinter mir gelassen und im Donaupark folge ich den Wegweisern zum Koreahaus, diesem herrlichen Sechzigerjahrbau direkt am künstlich angelegten Irissee. Ich sehe die Liliputbahn mit jauchzenden Kindern vorbeiziehen und möchte selbst jauchzen, weil nämlich mein Ziel langsam ins Bild rückt: das Portal zum Bundesbad Alte Donau in der Arbeiterstrandbadstraße, wo ich jetzt im noch immer warmen Gewässer zu baden gedenke. Das Bundesbad, von Ernst Molden auf dem Album „Es Lem“ so einfühlsam besungen, ist ein Schmuckstück des schlaftrunkenen Wien. Auf 43.000 Quadratmetern breiten sich die Menschen aus, die in Gesellschaft allein sein wollen, ihre Zeitung lesen, vielleicht auch einen Krimi. Bis zu den Knien ins Wasser gehen, vielleicht dabei eine Zigarette rauchen und sich jemanden finden, mit dem man die Alte Donau zu warm oder zu kalt finden kann. Verbindende Gemeinschaftserlebnisse.
Ich nasche mein Baklava, ziehe die Badehose an und schließe mich glücklich der matten Aufgeräumtheit an.
Die Route
Praterstraße – Praterstern – Ybbsstraße – Lasallestraße – Reichsbrücke – Donauinsel – Ponte Cagrana – Donaupark – Bundesbad – Alte Donau: 8.000 Schritte
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