Der botanische Viergesang von Pötzleinsdorf

Von monumentalen Statuen im Pötzleinsdorfer Schlosspark bis zu einer nahegelegenen Monstrosität. Ein Rundgang.

Ich stehe also nach einem Rundgang durch den Pötzleinsdorfer Schlosspark vor dessen Eingang. Gerade habe ich noch den monumentalen Statuen hinter den noch monumentaleren Mammutbäumen habedieehre gesagt, und mich der makabren Geschichte ihrer Verbringung in diesen Park erinnert. Das „Singende Quartett“ war ursprünglich auf der Attika des „Wiener Ringtheaters“ postiert, das am 8. Dezember 1881 bis auf die Grundmauern abbrannte und viele hundert Menschen das Leben kostete.

Die heiteren Gesichter der Singenden sollten zur „Komischen Oper“ passen, wie das Theater im Volksmund bezeichnet wurde. Ihre enorme Größe erklärt sich aus der Position hoch über Schottenring 7: Die Statuen sollten dem Blick von der Straßenseite nicht zu klein werden.

Max Schmidt, der letzte Besitzer des Pötzleinsdorfer Schlosses, ließ die nach dem Brand erstaunlicherweise unversehrten Statuen in seinen Park bringen, seither üben sie den botanischen Viergesang. Wenn ich ihnen jetzt auf Augenhöhe begegne – auf meiner Augenhöhe – dann hört sich diese imaginäre Musik ein bisschen nach New Age an, aber die Einbildung kann täuschen, vielleicht hören Sie ja, wenn sie in Pötzleinsdorf sind, etwas ganz anderes, Mendelssohns „Sommerlied“ oder „Java Jive“.

©Klobouk Alexandra

Monstrosität aus Beton

Während ich mir also über das Sounddesign der Stadt Gedanken mache und einen Schritt vor den anderen stadteinwärts setze, ohne der erzählfreudigen Nachbarschaft der Pötzleinsdorfer Straße meine Aufmerksamkeit zu widmen, beginnt es in meinem rechten Augenwinkel zu blinken, sodass ich doch hinschauen muss.

Steht doch tatsächlich eine Beton gewordene Schlaghose auf Nummer 27, eine Villa, die man mit ein bisschen Nachsicht postmodern nennen könnte, ein entschlossenes Stiegenhaus mit Glasdurchblicken, zwei Gebäudeflügel, deren Fensteröffnungen mit türkisen Metallfassungen verkleidet sind, Bullaugen im Dachgeschoß, ein Runddach, das den Blick wie eine Welle auf die Baumwipfel des dahinterstehenden Gartens lenkt.

Das Gebäude ist offensichtlich unbewohnt, im Vorgarten liegt Baumaterial herum. Ansonsten sind Informationen über den Ort rar. Ich finde nur im „Tramwayforum“, keine Ahnung, wieso gerade dort, einen Hinweis, der es verdient, wörtlich zitiert zu werden: „… unnachahmlich skurril ist das Haus Pötzleinsdorfer Straße 27. Ende der 70er gebaut und dank Pleite des Bauherrn niemals fertig geworden, steht diese Beton gewordene Monstrosität seither dort und trotzt den Jahrzehnten.

Zu den abstrusen Details gehört unter anderem ein Wintergarten mit Pool im zweiten Stock (auf Luftbildern erkennbar). Das Grundstück ist dem Konkurs offenbar irgendwie entgangen, jedenfalls taucht die Eigentümerin (die Witwe des Bauherren) ab und zu dort auf, pflegt den Garten hinter dem Haus und streitet mit den Nachbarn“. Schrieb der Referatsleiter des Forums vor genau zehn Jahren, ich kann die Informationen weder bestätigen noch widerlegen. Falls jemand Genaueres weiß oder mich auf eine Führung mitnehmen möchte – ich stehe bereit. Den richtigen 70s-Soundtrack kenne ich schon: Le Freak, c’est chic.

Die Route

Endstation 41 – rund um den Pötzleinsdorfer Schlosspark – Pötzleinsdorfer Strasse – S-Bahnhof Gersthof: 6.000 Schritte

Christian Seiler

Über Christian Seiler

Kommentare