Welche Plätze in Wiens Innenstadt laden zum Verweilen ein?

Christian Seiler spaziert vom Schwedenplatz bis zum Franziskanerplatz und macht sich ein Bild vom ersten Bezirk.

Die Innenstadt Wiens ist reich an Plätzen, das schon, aber welcher dieser Plätze lädt nicht nur zum Bewundern, sondern auch zum Verweilen ein? Als ich durch den Ersten Bezirk spaziere, beschließe ich, dieser Frage nachzugehen, ganz subjektiv natürlich, und damit ich nicht auf allzu hohem Niveau starte, beginne ich den Rundgang auf dem Schwedenplatz.

Diesem Platz werden seit vielen Jahren Umgestaltungen versprochen, aber ich fürchte, das wird maximal Kosmetik sein, solange es keine ernsthaften Versuche gibt, den Platz von Lärm und Unruhe des Autoverkehrs auf dem Franz-Josef-Kai zu trennen. Ich gehe also weiter zum Rudolfsplatz, der ein lauschiger, irgendwie vergessener Platz mitten im Textilviertel ist, ein paar Bänke, in der Mitte ein städtischer Kindergarten. Gegen diese Nutzung ist aber auch gar nichts einzuwenden.

Über den Concordiaplatz – der nur Platz heißt, aber keiner ist – gehe ich zum Judenplatz, den ich liebe. Das Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoah, das die Künstlerin Rachel Whiteread geschaffen hat, ist ein so kraftvoller, berührender Ort, dass der ungelenke Lessing, der auf der anderen Seite des Platzes steht, nicht ins Gewicht fällt. Natürlich vergesse ich nicht, ins Schaufenster des Audio-Centers zu schauen, wo wie immer hörenswerte Tonträger ausgestellt sind.

Dann gehe ich hinüber zum Hof. Zu diesem Platz habe ich ein gespaltenes Verhältnis. Wenn er gerade einmal unverstellt von Theaterzelten, Weihnachts- oder Ostermärkten ist, bewundere ich ihn. Ansonsten meide ich ihn (und dass es völlig unverständlich ist, dass der Platz nach wie vor rundherum von Autos zugeparkt werden darf, auch wenn sich direkt darunter eine Tiefgarage befindet, möchte ich nur nebenbei anmerken).2

Wer wird Tagessieger?

Jetzt arbeite ich mich über den Kohlmarkt zum herrlichen Michaelerplatz vor, der leider unerträglich nach Pferdepisse stinkt, weil hier die anachronistischen Fiaker Aufstellung nehmen, gehe über den Neuen Markt, dessen Umgestaltung ich noch immer mit Skepsis betrachte, bis die Pflanztröge angewachsen sein werden, zum Franziskanerplatz (und wenn Sie fragen, warum ich den Stephansplatz auslasse: der läuft, überfüllt und vielgestaltig, wie er ist, außer Konkurrenz. Um den kümmere ich mich ein anderes Mal).

©Klobouk Alexandra

Endlich, der Franziskanerplatz, er ist mein Tagessieger. Sein östlicher Teil wird von den Renaissancefassaden des Franziskanerklosters und der Franziskanerkirche eingenommen. In der Mitte spuckt der Mosesbrunnen Wasser, und jedes einzelne der Gebäude, die den Platz umgeben, strahlt in seiner eigenen Schönheit.

Ich bekomme ein Tischchen vor dem „Kleinen Café“, einer Institution der Wiener Gastronomie, der die hohen Mieten das Leben schwer machen, bestelle mir einen Kaffee und befinde mich in Weltstadtgesellschaft: ein paar Stammgäste, ein paar Touristen, die gezielt hierhergekommen sind, ein bisschen Laufkundschaft wie ich selbst. Es ist ein Ort, der Geschichte atmet und Gegenwart verströmt. Ich möchte nicht, dass sich daran auch nur das Geringste ändert.

Die Route

 Schwedenplatz – Rudolfsplatz – Concordiaplatz – Judenplatz – Am Hof – Michaelerplatz – Neuer Markt – Franziskanerplatz: 4.000 Schritte

Christian Seiler

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