Oben ohne: Wie Männer mit dem Haarausfall umgehen

Kaschieren, rasieren, transplantieren, akzeptieren. Es gibt unterschiedliche Wege dem Haarverlust zu begegnen.

Julius Cäsar tat es, Napoleon Bonaparte, Thomas Bernhard, und natürlich Donald Trump. Sie alle überkämmten ihren kahlen Kopf. Offensichtlich seit der Antike eine gängige Praxis stark fortgeschrittenen Haarausfall zu kaschieren. Dass einen dieses Schicksal als Mann früher oder später ereilt, ist relativ wahrscheinlich. Der androgenetische (erbliche) Haarausfall gehört weltweit für 80 Prozent der Männer zum Älterwerden dazu. Es beginnt zumeist in den 30ern. Erst lichten sich die Haare an den Schläfen und Geheimratsecken bilden sich aus. Von der Stirn bis zum Hinterkopf wird der Haarwuchs immer dünner, bis am Ende oft ein Haarkranz stehen bleibt.

Gefühl der Befreiung

Auf diesem Weg befand sich auch der heute 38-jährige Willy. Bereits Mitte der 20er begann bei ihm der Haarausfall. Eine Entwicklung, mit der er sich absolut unwohl fühlte. „Ohne Kapperl bin ich jahrelang nicht mehr vor die Tür gegangen“, erzählt er. Nach langen Jahren des Haderns entschied er sich im vergangenen Winter relativ spontan dazu, sich in Istanbul für eine Haartransplantation anzumelden. Eine Entscheidung, über die er nun, schon drei Monate nach dem Eingriff, sehr froh ist. Das volle Ergebnis ist erst nach 12 Monaten sichtbar, doch er fühlt sich bereits von einer Last befreit: „Das einzige, das mir leid tut ist, dass ich mich nicht schon viel früher dazu entschieden habe.“

Auch Friseurin Bianca O., vom Wiener Salon und Barbershop „Roots & Razors“, rät dazu, bei starkem Haarausfall aktiv zu werden. Dabei geht sie in ihrer täglichen Arbeit zumeist den umgekehrten Weg: „Spielt man wegen Haarausfalls mit dem Gedanken, sich die Haare abzurasieren, rate ich dazu, den Schritt einfach zu wagen – sie wachsen so schnell nach.“ Welchen Umgang man letztendlich mit dem Verlust der Haare findet, eines ist klar: Es ist ein hochsensibles, emotional und symbolisch stark aufgeladenes Thema.

Wenig überraschend also, dass der biblische Samson seine Kraft verliert, als Delilah ihm die langen Haare abschneidet. Schließlich finden sich bereits auf 5.000 Jahre alten, babylonischen Tontafeln Beschwörungen gegen den Haarausfall.

Symbole

„Die Bedeutung von Haaren ist stark kulturabhängig“, sagt dazu der Klinische Psychologe und Gesundheitspsychologe Andreas Kollar. „In unserer Gesellschaft steht volles Haar für Männlichkeit, Stärke, Jugend, Gesundheit. Dessen Fehlen wird in erster Linie mit Alter und Krankheit assoziiert. Das kann sich bei den Betroffenen stark auf die Psyche auswirken.“ Dabei sei es entscheidend, in welchem Alter man seine Haare verliert, so Kollar: „Gibt es nicht so viele Gleichaltrige, die dasselbe Problem haben, kann das belastend sein.“

Dann sitzt man beispielsweise bei Bianca im Friseursessel und fragt sie um Rat. Es kommt auf den Haartyp und die Istsituation auf dem Kopf an, meint sie. "Hat jemand nur Geheimratsecken oder eine höher werdende Stirn, und ansonsten dichtes Haar, findet man auf jeden Fall eine Frisur, mit der man den Haarverlust etwas kaschieren kann. Sieht man aber schon die ganze Kopfhaut durch, rate ich eher zum Abrasieren." Der eingangs erwähnte "Combover" (überkämmte Glatze), der zuletzt durch Donald Trump stärkere Bekanntheit erfuhr, wird in ihren Kundengesprächen eher als Negativbeispiel angeführt, wie das Ergebnis auf keinen Fall aussehen darf. "Keiner will, dass es wirkt, als würde man mit seinen drei Haaren alles verdecken wollen", sagt O. "Die meisten sind da eher realistisch."

Studien

Ein gesunder Ansatz, denn Akzeptanz gehöre auch zum Prozess dazu, meint Psychologe Kollar. Selbsthilfebücher, die hier zur uneingeschränkten Selbstliebe raten, sieht er eher kritisch. Er selbst kenne viele  Männer um die vierzig, die sofort ihre Haare zurücknehmen würden, wenn es ohne großen Aufwand ginge - selbst, wenn diejenigen ihr kahler werdender Kopf gar nicht übermäßig belastet.

Hadert man manchmal mit der Situation, sei das auch in Ordnung, es gilt, die Balance zu finden. "Man sollte sich immer dessen bewusst sein, dass man versucht eine Situation zu verbessern, die man nur schwer verbessern kann. Wäre das männliche Schönheitsideal beispielsweise eine abrasierte Kopfbehaarung, wäre das für jeden leicht umsetzbar. Umgekehrt ist dafür der Haarausfall natürlich nicht so leicht zu beeinflussen." 

Den Studien zu dem Thema, die oft komplett konträre Aussagen liefern - Männer mit Glatze werden demnach wahlweise als sexy, unsexy, dominant, friedliebend, kleiner oder größer wahrgenommen - misst er nur wenig Bedeutung bei. "Ich glaube eher nicht, dass eine einzelne Studie dazu führt, dass es einem Betroffenen plötzlich mit der Situation besser geht, wenn sich jeder einfach das für ihn passende Ergebnis raussuchen kann. Es hat nichts mit Logik zu tun." 

Information

Besser ging es auch Willy erst, als er sich zum Eingriff in Istanbul entschied. Im Nachhinein bedauert er aber nur, dass er sich nicht früher dazu durchringen konnte. Auch mit seinen Freunden sprach er offen über seine Erfahrungen, "ich habe kein Problem damit, ich habe ja vorher mit ihnen auch über meinen Haarausfall geredet." Einzig den Kollegen im Büro erzählte er, angesichts des noch von der OP rasierten Kopfs, dass er eine Wette verloren habe. Als er aber vor Ort auf dem OP-Tisch lag, wurde ihm "trotz verordneter Wurschtigkeitstablette", doch ein wenig anders. "Es ist nun einmal ein körperlicher Eingriff, der mehrere Stunden dauert. Ein großer Schritt. Wichtig ist es auf jeden Fall, sich vorab gut über seine Optionen zu informieren", sagt er.

Der Meinung ist auch Andreas Kollar. Und rät abermals zu einem ausgeglichenen Zugang zur Thematik: "Man kann es auch lieben, nicht alles an sich zu lieben."

Anya Antonius

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