Warum Männer Handtaschen tragen dürfen und welche Styles passen
Wer weiss, dass Männer die ersten waren, die Handtaschen trugen? Warum sich das Männerbild wandelt und Taschen kein No-go mehr sind.
Sie baumeln seitlich von der Schulter, sind über die Brust gespannt, befinden sich am Rücken oder werden direkt in der Hand gehalten. Alles nur eine Frage des Stils. Und der bringt jede Saison neue Designs hervor. So hat Dior seine ikonische „Saddle Bag“ in Mini-Version und Fendi eine Männerversion des „Baguette“-Modells aus recyceltem Nylon, für den Sommer lanciert. Hermes bringt im Herbst erstmals eine XL-Version der kultigen Birkin-Bag, extra für Männer heraus. Was wahrscheinlich auch zu langen Wartelisten führen wird.
Auch sprachlich wird die „Tasche für den Herren“ modernisiert. Sie erobert als „Murse“, einem Wortspiel aus „Man“ und „Purse“, oder „Mote“, einer Wortkombination aus „Man“ und „Tote“, der Bezeichnung für Shopper, die Mode.
Männerhandtaschen sind wieder ein Thema, seitdem Harry Styles mit einer femininen Gucci Bag, Alessandro Micheles Re-Interpretation der Gucci Jackie Bag von 1961, auftrat und mit einem bodenlangen Gucci-Kleid ein Vogue-Cover zierte.
Das löste einen Schrei in der Modewelt aus. Dürfen Männer überhaupt Handtaschen tragen? Dürfen Männer Kleider tragen? Obwohl heute Self-Care und Grooming längst zum Alltag in der Männerwelt zählen. Immer mehr Make-up-Linien entwickeln auch spezielle Beauty-Produkte für zarte Männerhaut und Modedesigner entwerfen Gender-fluide-Modekollektionen, also Mode, die von beiden Geschlechtern getragen werden kann.
Und trotzdem, das Handtaschen-Thema wird immer noch heiß diskutiert. Unbeeindruckt von solchen Diskussionen zeigen sich David Beckham, Owen Wilson, Pharell Williams oder Rapper Lil Uzi Vert, der seine Chanel-Bag stets besonders cool inszeniert, sowie sämtliche männliche Influencer mit ihren Handtaschen in der Öffentlichkeit und interpretieren damit die Männlichkeit neu. Oder ist das doch nichts Neues?
Die Männertasche als Symbol
Denn alles war schon einmal da. Schon zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert verstauten Männer Münzen und Wertvolles in kleinen Taschen und Beuteln, die am Gürtel baumelten. Sie waren also eigentlich die ersten, die eine Handtasche aus praktischen Gründen mit sich führten. Und später dienten diese, mit Perlen und Brokat verziert, zur Repräsentation des sozialen Standes, quasi als erste Statement-Handtasche. Öfters sind sie auch auf Ölgemälden aus dem Rokoko verewigt. Besonders englische Grafen ließen sich im 18. Jahrhundert gerne in weiten Pluderhosen aus Seide und rosafarbenen Seidencapes malen, mit High Heels, Perücken und kleinen Taschen, die sie als Clutch in der Hand hielten.
Im 17. Jahrhundert begannen auch Frauen Handtaschen zu tragen, als sich gut betuchte Damen des Hauses mit Gürteltaschen aus Silber schmückten um damit ihren sozialen Stand auszudrücken. Auch wer die Geschichte der berühmten Birkin-Bag kennt, weiß, dass diese Handtasche nach den sozialen und praktischen Bedürfnissen der Frauen in den 1980er-Jahren entworfen wurde und das Leben der berufstätigen Mütter erleichtern sollte, das mit der Gleichberechtigung im Berufsleben einherging. Jetzt setzt Hermès diese Idee für Männer um. Ein Statement zur modischen Gleichberechtigung. Darüber freut sich sicher auch Kanye West, der gerne Birkin-Bags schenkt, etwa an Schauspielerin Julia Fox und ihre Freundinnen. Er kann jetzt eine für sich selbst kaufen.
Dass Männerhandtaschen aber lange vergessen waren, geht auf die Erfindung der Hosentaschen zurück. So verschwanden die Handtaschen im 19. Jahrhundert nach und nach aus dem Alltag. Jetzt erleben die praktischen Begleiter allerdings ein Comeback. Denn welcher Mann will seine Designer-Hosen mit Krimskrams vollstopfen? Mit der Mode ändert sich aber auch die gesellschaftliche Vorstellung von Männlichkeit. „Heute befindet sich Maskulinität in vollem Wandel“, sagte Alessandro Michele, Kreativdirektor von Gucci, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Fashioning Masculinities“ im Londoner V&A Museum.
Neue Männlichkeit
Michele, seit 2015 Guccis Kreativdirektor, hinterfragt ständig, was Männlichkeit heute bedeutet und zeigt das in den Kollektionen des Luxus-Labels. Er verordnet dem Mann von heute nicht nur feminine Handtaschen, sondern auch bunte Anzüge, Kilts, Federboas oder Schleifenblusen. „Ich liebe das Wort flamboyant, denn es bedeutet, superlebendig zu sein, und das ist gerade in der heutigen Zeit sehr wichtig“, sagte der Designer, der mit diesem „Gender-bending“ die Geschlechterrollen aus ihren starren Modenormen befreien will. Die Londoner Ausstellung zeigt, wie sich Männermode und ihr sozialer Aspekt im Laufe der letzten Jahrzehnte gewandelt haben. War die Männermode im 19. Jahrhundert noch von der militärischen Uniform beeinflusst, aus der dann in Folge der Anzug entstand, wurden die Männer im 20. und 21. Jahrhundert modisch immer mehr aus ihrem Korsett befreit. Die militärischen Tarnmuster hielten Einzug in die Streetwear und die legere Casual-Wear entstand als Antwort auf die vermehrte Freizeit. Symbol dafür ist der Rucksack, der zum citytauglichen Backbag wurde.
Seit dem Aufleben der Partykultur in den 1980er-Jahren, gibt es auch in der männlichen Abendgarderobe keine Grenzen mehr, was die Fantasie betrifft. Einer der ersten, der dieser freien Lauf ließ und sich nicht an Kleidernormen hielt, war David Bowie. Er zeigte sich schon 1969 in bunten genderless-Outfits auf Plattencovern und definierte damit die Grenzen der Männlichkeit neu. Auch im Alltag hatte er übrigens immer eine Handtasche dabei. Seine Wahl waren lässige Weekender oder Messenger-Bags.
Die Einflüsse der neuen Genderless-Generation gehen auch auf Designer wie Nicolas Ghesquière für Louis Vuitton und Virgil Abloh für Supreme zurück. Und auf den Designer Calvin Klein, der schon 1994 das erste „unisex“-Parfüm „CK ONE“ herausbrachte.
Trendige Taschenstyles
Modelle wie Weekender, Messenger oder klassische Aktentaschen sind im Wiener Hermès-Store besonders gefragt. Dass Männer es vor allem praktisch lieben, zeigen auch die vielen Streetstyle-Modelle von Supreme, Levis & Co, die ihre Logos gerne auf Hüfttaschen, sogenannte Fanny Packs, drucken und so neben dem modischen Statement gleich auch Werbung für sich machen.
COS
Sportliche Leder-Tote
Levis
Crossbody Tasche
Paul Smith für Mr. Porter
Porter-Yoshida & Co Striped Nylon Backpack
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