Über die Wiener Hirnbrecherstiege zur Rotlichtgröße

Eine Route durch Döblings Weinberge. Der Weg führt vom Kahlenbergerdorf zum Leopoldsberg. Was es hier für Besonderheiten gibt.

Die erste Hürde dieser schönen Wanderung ist eine Treppe, die im Kahlenbergerdorf den Weg von der Blosch- zur Wigandgasse abkürzt. Nicht, dass sie wirklich steil wäre. Aber ihr Name benennt die Herausforderung: Sie heißt „Hirnbrecherstiege“, und die Interpretation dieses Namens zielt ganz offenbar auf die schwierige Bewältigung dieser Stiege durch Personen, die im Weinbauerndorf programmgemäß über den Durst getrunken haben.

Mir leuchtet zwar ein, wie man sich den Schädel, nicht jedoch, wie man sich das Hirn brechen könnte, aber ich weiß, was gemeint ist, als ich die Pfarrkirche zum Heiligen Georg hinter mir lasse und auf dem Waldbachsteig bergauf gehe, der frühen Nachmittagssonne entgegen, die oben auf dem Leopoldsberg liegt. Es ist ein schöner, aber steiler Weg, der zuerst zwischen Weinbergen durchführt, dann im lichten Winterwald bergauf.

 

Blick auf Wien

Als ich bei der Elisabethwiese ankomme, entscheide ich mich für den Besuch des Leopoldsbergs. Ich mag dessen Exposition, den weiten Blick über die Stadt – und den Anblick der Wanderer, die über die so genannte „Nase“ aufgestiegen sind, Wiens vielleicht steilsten Wanderweg, und noch mehr ins Schwitzen geraten sind als ich.

Die schöne Kirche auf dem Leopoldsberg ist seit Jahren nicht mehr zugänglich. Baustellenzäune, Absperrungen. Auch der Zugang zur Aussichtsterrasse, von der aus der Blick auf die Donau und Transdanubien besonders schön ist – ich erinnere mich, dass hier auch einmal ein Ausflugscafé Erfrischungen verkaufte –, ist inzwischen kommentarlos gesperrt. Ich muss mich also mit den Strahlen der Wintersonne begnügen, die erstaunlich warm sind und die Nebelschleier über Wien zum Leuchten bringen.

Unter amerikanischen Kiefern setze ich mich auf ein Steinmäuerchen und suche im Dunst nach Orientierungspunkten, nach Hochhäusern, Kirchtürmen, den schwarzen Würfeln des AKH. Später gehe ich weiter, auf dem etwas matschigen Weg unterhalb der Höhenstraße zum Kahlenberg hinüber, wo ich beobachte, dass der Dunst noch dichter geworden ist.

Heinz Werner Schimanko

Dann steige ich auf der Kahlenberger Straße bergab, wundere mich, dass in exponierter Höhenlage ein Weg nach der Rotlichtgröße Heinz Werner Schimanko benannt wurde, biege schließlich in die Eisernenhandgasse – ja, so heißt sie – ein und genieße die Aussicht auf die Zeilen der Weinberge links und rechts, die den Bergrücken schraffieren, über den der junge Ernst Molden ein schönes Lied geschrieben hat: „Dort, wo der Mond überm Elektromasten steht/wälzt sich unser Schwein so gern im Sand/geht unser Onkel noch was trinken/auf der Eisernen Hand ...“ Wenn mich wer fragen würde, ob besagte Gasse in Moldengasse umbenannt werden soll: Ich würde die Eiserne Hand heben.

An einem geschlossenen Heurigen in famoser Lage – „Der Hirt“, Vormerkung für den Sommer – vorbei gehe ich zurück ins Kahlenbergerdorf. Mit vollem Karacho kommt mir ein Rettungsfahrzeug entgegen – Hirnbrecherstiege? Noch ein Blick nach oben. Nie ist der Leopoldsberg so schön wie aus der Entfernung, wenn die letzten Sonnenstrahlen ihn rot färben.

Die Route

Kahlenbergerdorf – Waldbachsteig – Leopoldsberg – Kahlenberg – Kahlenberger Strasse – Eisernenhandgasse – Kahlenbergerdorf: 11.000 Schritte

Christian Seiler

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