Für den Marathon trainieren: Warum Mentaltraining so wichtig ist

Sportlicher Erfolg und konsequente Routinen sind vor allem Kopfsache, weiß Sportpsychologe Georg Hafner.

„Es ist schwieriger als gedacht“, gibt Markus Freistätter schmunzelnd zu. Vor rund drei Wochen hat der Schauspieler nach einer Leistungsdiagnostik seinen Trainingsplan erhalten (der KURIER berichtete). Am 23. April – also in knapp drei Monaten – geht Freistätter beim Vienna City Marathon (VCM) an den Start. „Dafür muss ich in der Vorbereitung meine Komfortzone mal wieder verlassen“, gesteht er. Intervall- und Krafttraining und Koordinationsübungen stehen nun mehrmals wöchentlich an. Das stramme Trainingspaket in den Alltag zu integrieren, fällt ihm nicht immer leicht. „Ich muss mich schon bei der Nase nehmen, um den Trainingsplan eisern einzuhalten“, sagt er.

Die gute Nachricht: Ein gut durchdachter Plan ist in der Regel der erste Schritt zum Erfolg, sagt Sportpsychologe Georg Hafner. Auch dass der Schauspieler ein konkretes (und realistisches!) Ziel vor Augen hat – ein Halbmarathon in unter zwei Stunden Laufzeit – helfe, konsequent zu bleiben und in schwierigen Phasen durchzuhalten. Jedoch: „Ich würde ihm empfehlen, auch Mentaltraining zu integrieren“, plädiert der Experte.

Visualisierung

Sieg oder Niederlage wird im Kopf entschieden, ist Hafner überzeugt – auch im Hobby-Ausdauersport und selbst bei kürzeren Distanzen als den vollen 42,195 Kilometern. Die ersten fünf, zehn Kilometer sind in der Regel schnell gelaufen, weiß der Sportpsychologe aus beruflicher Erfahrung. Dann werden bei Hobbyläufern die Beine schwer, die Muskeln beginnen zu brennen. Nach anfänglicher Euphorie sind die körperlichen Grenzen oft bei Kilometer 15 oder 18 erreicht. Bei einem ganzen Marathon beginnt für Bessertrainierte der härteste Teil in der Regel ab Kilometer 30: Man will stehen bleiben, viele bekommen Zweifel, ob sie den Lauf bis zum Ende schaffen „Das kann sehr an die psychische Substanz gehen“.

Durchhält, wer dann seine mentalen Ressourcen gut abrufen kann. Mit seinen Klientinnen und Klienten beginnt Hafner häufig mit einfachen Atemübungen, wie der Quadrat-Atmung (siehe unten) oder aktivierenden Atemmethoden. Klassiker sind autogenes Training und progressive Muskelentspannung. Auch Fantasiereisen oder Visualisierungstechniken sind im Mentaltraining üblich. Man versetzt sich schon Wochen vorher immer wieder in die Wettkampfsituation. Visualisiert, wie es sein wird, am Wettbewerbstag die Ziellinie zu überqueren. Aber auch potenziell stressige Situationen: Wie man etwa mit dem Moment fertig wird, in dem die Kraft plötzlich nachlässt.

Und dann natürlich Kommunikation – nach außen, zu Trainer oder Umfeld. Aber auch mit sich selbst: Selbstgespräche helfen, mit Erschöpfung umzugehen und die Ausdauerleistung besser zu nutzen. Wichtig ist: Die Botschaften auch während des Trainings positiv formulieren. Ich kann das! Ich glaube an mich!

Mentale Erholung

„So wie beim Laufen die Grundlagenausdauer ganz essenziell ist, sind es mental die Entspannungstechniken“, fasst Hafner zusammen. „Dass man sich immer wieder besinnt, zur Ruhe kommt und sehr viel Energie gewinnen kann“ – auch langfristig. Der Sportpsychologe spricht dann von „mentaler Kondition“:

„Es geht nicht nur darum, punktuell Stärke aufzubringen, sondern mental dauerhaft fit zu sein.“ Davon profitiert man nicht nur beim Laufen – sondern in ganz alltäglichen Situationen. „Gesellschaftlich brauchen wir alle Mentaltraining“, geht der Experte noch einen Schritt weiter. „Wir werden alle dermaßen gefordert, sind viel Druck ausgesetzt.“ Wie im körperlichen Training spiele auch die mentale Regeneration eine wichtige Rolle. Diese sei „inzwischen fast verloren gegangen“. In der Pause greifen wir zum Handy, drehen abends den Fernseher auf, checken zwischendurch Social Media. Hafner: „Bewusster Konsum ist erlaubt. Aber wir kommen zu selten in eine mentale Ruhephase, was enorm wichtig wäre – auch für das Laufen.“

Tipps

Quadrat-Atmung
Den Atem verlangsamen und ruhig einatmen. Im Kopf bis drei zählen und anschließend drei weitere Sekunden den Atem  anhalten. Danach innerhalb von drei Sekunden wieder ausatmen und drei Sekunden halten. Mehrmals wiederholen.

Progressive Muskelrelaxation
In ca. 20 Übungen werden die Muskelgruppen  abwechselnd an- und entspannt.

Autogenes Training
Das Ziel ist, sich selbst in einen Trance-ähnlichen Zustand zu versetzen. Die Vorstellung von Schwere und Wärme soll durch regelmäßiges Training bestimmter  Übungen Muskeln entspannen und das vegetative (unbewusste) Nervensystem beeinflussen.      

Elisabeth Kröpfl

Über Elisabeth Kröpfl

Seit Dezember 2021 beim KURIER. Zuerst im Ressort Lebensart, jetzt am Newsdesk. Spanisch- und Englischstudium in Graz, danach Journalismus-Master an der FHWien.

Kommentare