Ein Spaziergang durch die Zwischenwelten von Wien
Eigentlich wollte ich im wundervollen Garten des Volkskundemuseums im Schönbornpark einen Aperitif trinken, es war immerhin schon halb sechs.
Aber ich wurde nicht an die Tränke vorgelassen. Eine freundliche, aber bestimmte Kellnerin wies mich darauf hin, dass der Garten um sechs Uhr schließe, und als ich sie darauf hinwies, dass draußen am Eingang andere, großzügigere Öffnungszeiten affichiert seien, antwortete sie mir, dass sie sich das nicht vorstellen könne, man serviere erst später im Jahr auch abends.
Also machte ich mich auf die Wanderschaft, und das war schön. Ich ging die Lange Gasse entlang, grüßte von außen das herrliche Wirtshaus Schnattl, das mit Ausnahme von Freitag nur noch mittags geöffnet hat, überquerte die Josefstädter Straße, betrachtete das Schaufenster von Wiens coolstem Käsegeschäft „Jumi“, große Empfehlung, sah, dass der Bioladen Brandenstein noch offen hatte und nahm mir ein paar schöne Spargel fürs Abendessen mit, überquerte die Lerchenfelder Straße und tauchte direkt unter der Schrift „Freiwilliger Durchgang“ in die Welt der Wiener Durchhäuser ein, zwischen Pizzeria „La Mia“ und Goldengnu, einer Beratungsfirma mit Fassade, die echt was hermacht.
Draußen Sonne, drinnen Halblicht, eine Kaskade von Biedermeierhäusern, drei Innenhöfe, unter Weinranken ein wundervoller Gastgarten, eine Bäckerei, ein Fahrradgeschäft, die „Wiener Gastwirtschaft im Durchhaus“, und als ich auf der Neustiftgasse wieder ans Licht trat, war ich buchstäblich verzaubert von den Zwischenwelten, die ich gerade durchschritten hatte.
Ich überquerte die Neustiftgasse, passierte am Sankt-Ulrichs-Platz Barockkirche und Pestsäule, nicht ohne an die fantastische Horvath-Verfilmung „Geschichten aus dem Wienerwald“ von Maximilian Schell zu denken, die hier gedreht worden ist, bog über die Burggasse in die Kirchengasse ein, die zwar unter den U5-Bauarbeiten stöhnt, aber dafür vom Autoverkehr befreit wurde, eins zu eins, reihte mich in den Trubel auf der Mariahilfer Straße ein, nur um sofort wieder das nächste Durchhaus aufzusuchen, die Einkaufspassage Raimundhof, die nach dem großen Ferdinand Raimund benannt ist, der hier, im Haus „Zum goldenen Hirschen“, im Jahre 1790 geboren wurde.
In der Passage gibt es Ramsch und Rosen, Cafés und ganz unten an der Windmühlgasse das unvergleichliche „Bruder“, wo man ganz sicher auch nach sechs noch einen Drink bekommt. Ich nahm die Herausforderung an und stärkte mich mit einer Mischung aus Wermut und Tonic am Notbankerl in der Fensterlaibung.
Dann ging es die Stiegengasse hinunter, über die Gumpendorfer Straße, wo sich ein buntes Durcheinander von Biedermeier- und Sechzigerjahr-Fassaden präsentiert, bis sich die Gasse kurz vor der Linken Wienzeile auf verschiedene Niveaus differenziert. Ich überquerte die Wienzeile und stand auf dem Parkplatz, der zum Park oder zum Marktplatz werden soll, da wird bekanntlich noch gestritten, und betrachtete mit Wohlgefallen die mächtigen Häuser, die hier stramm stehen und dem Stadtbild ihren Glanz borgen und ihr Gloria.
Die Route
Schönbornpark – Lange Gasse – Durchhaus – Sankt-Ulrichs-Platz – Kirchengasse – Einkaufspassage Raimundhof – Stiegengasse – Linke Wienzeile: 3.500 Schritte
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