Plötzlich Pickel: Warum viele Frauen erst mit 40 Akne bekommen

Viele Menschen kennen Akne nur aus der Pubertät. Doch manche leiden ihr halbes Leben lang darunter oder entwickeln die Hautkrankheit erst im Erwachsenenalter - Selbstzweifel inklusive.

Vor vier Jahren postete Antonia Schulz zum ersten Mal ein Foto auf Instagram, auf dem sie zur Hälfte ungeschminkt war. "Auf der ungeschminkten Hälfte sah man, wie meine Haut normalerweise ist. Das hat mich viel Überwindung gekostet“, erinnert sich die Influencerin. Ihre Haut, wie sie normalerweise ist. Für Schulz heißt das: Pickel, Zysten, Rötungen und Narben.

Antonia Schulz leidet an Akne, ab 25 Jahren auch Spätakne oder Akne tarda genannt. Schätzungen zufolge sind zwischen 10 und 40 Prozent der Menschen davon betroffen, Frauen deutlich häufiger als Männer. Viele leiden nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Zahlreiche Forschungsarbeiten zeigen, dass Akne bei Erwachsenen häufiger zu Angstzuständen, Depressionen und sozialer Isolation führt. 

Studie: Durch diese Ernährungsumstellung altert der Körper langsamer

Denn schlechte Haut stigmatisiert. Laut einer neuen Studie der European Academy of Dermatology and Venereology, in der Forschende die Augenbewegungen von Testpersonen beobachteten und sie baten, die Persönlichkeitsmerkmale von Fremden zu bewerten, werden Menschen mit Akne als deutlich weniger attraktiv, erfolgreich und selbstbewusst wahrgenommen. Vor allem erwachsene Frauen mit Akne um Kiefer und Kinn werden als unattraktiv bewertet. Für Marek Jankowski, den Hauptautor der Studie, ist das keine Überraschung: "Ich habe immer wieder festgestellt, dass Akne bei erwachsenen Frauen zu größeren sozialen Problemen führt als bei Jugendlichen."

Erwachsene stärker belastet als Jugendliche

Akne im Jugendalter wirkt sich anders aus als im Erwachsenenalter, sagt auch Barbara Franz. Die Fachärztin für Dermatologie in Wien hat sich auf Akne tarda spezialisiert. Zwar haben Jugendliche oft schwerere klinische Ausprägungen der Akne, "dennoch sind sie weniger belastet als Erwachsene. Denn Akne gehört für uns zur Pubertät dazu."

Die Frauen, die zu Franz kommen, berichten nicht nur von Symptomen, sondern auch von Erfahrungen. "Eine 40-jährige erfolgreiche Anwältin erzählt mir zum Beispiel, dass sie plötzlich mit knallroten Papulopusteln (siehe unten, Anm.) vor dem Richter stehen muss und Angst hat, nicht ernst genommen zu werden. Der Leidensdruck ist enorm."

Was ist Akne tarda?

Wie bei der Akne in der Pubertät handelt es sich bei Spätakne um eine chronische Entzündung der Talgdrüsen mit meist Verdickung der obersten Hautschichte, allerdings ist nicht die typische T-Zone des Gesichts betroffen, sondern vor allem die untere Wangenpartie sowie Kinnregion.

Statt Mitessern leiden viele Betroffene an Papulopusteln, also entzündliche Knötchen, meist mit Eiter gefüllt, die Juckreiz auslösen können und dadurch zum Kratzen anregen.

Wie entsteht Spätakne?

Um an Spätakne zu erkranken, muss zunächst eine genetische Veranlagung vorliegen. In der Regel wird die Spätakne durch ein hormonelles Ungleichgewicht ausgelöst, bei Frauen meist ab Mitte 30, in der so genannten Perimenopause. Dann nimmt das weibliche Geschlechtshormon Progesteron ab und das männliche Testosteron, das die Akne auslöst, überwiegt relativ.

Hormonelle Verhütungsmittel tun ein Übriges, sagt Franz. "Oft ist in diesem Alter die Familienplanung abgeschlossen oder die Frau wechselt von der Pille auf Langzeitverhütung wie die Spirale. Dieser Wegfall der weiblichen Hormone verstärkt den relativen Testosteronüberschuss.“  Auch bei Antonia Schulz brach drei Monate nach dem Absetzen der Antibabypille die Akne aus. "Das hat mir fast den Boden unter den Füßen weggezogen“, erzählt die heute 26-Jährige. "Ich kann doch nicht mit über 20 plötzlich eine zweite Pubertät haben!“

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Obwohl Akne in jungen Jahren bei Männern stärker verbreitet ist, ist Akne tarda bei ihnen ein selteneres Thema, sagt die Dermatologin Barbara Franz. Zu ihr in die Praxis in Wien kommen vorwiegend Frauen zwischen 30 und 40 Jahren

©Moritz Schell

In den vergangenen zehn Jahren hat die Spätakne laut Jankowskis aktueller Forschungsarbeit weltweit um zehn Prozent zugenommen. Äußere Einflüsse wie Stress oder falsche Ernährung könnten eine Rolle spielen.

Was Franz in ihrer Praxis häufig erlebt: Frauen überpflegen ihre Haut. "Ab Mitte 30, Anfang 40 greifen viele Frauen zu reichhaltiger Anti-Aging-Pflege, weil die Haut immer trockener wird. Wenn man aber gleichzeitig die genetische Veranlagung für Akne tarda hat, dann ist genau diese Pflege ein verstärkender Faktor.“

Was kann man tun?

Generell gilt: "Finger weg von den Anti-Pickel-Produkten für Teenagerhaut!", warnt Franz. Je älter die Akne-Patientin ist, desto eher sollte man von Flüssigseifen oder Gesichtsgel auf Reinigungsschaum umsteigen, da dieser das Gesicht nicht so stark austrocknet. Generell sollte man auf reichhaltige Pflege und fettige Substanzen verzichten - und konsequent einen hohen Lichtschutzfaktor verwenden, da Akne-Patientinnen zu Hyperpigmentierung neigen.

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Liegt eine entzündliche Form der Spätakne vor (deutlich gerötete, teilweise eitrige Knötchen), kommt eine antibiotische Therapie in Form von Cremes oder Tabletten zum Einsatz. Alternativ können entzündliche Dermatosen auch mit laserähnlichen Behandlungsmethoden therapiert werden. Bei tief sitzenden, meist schmerzhaften "sterilen" Knoten sollte in erster Linie "von innen“, also mit Tabletten, behandelt werden, damit der Wirkstoff auch effizient in die Talgdrüse gelangt.

Antonia Schulz' Haut hat sich über die Jahre immer wieder gebessert und wieder verschlechtert. "Es ist ein Auf und Ab. Es fällt mir noch immer schwer, das zu akzeptieren", sagt die Influencerin zu uns. Auf Social Media will sie anderen Betroffenen Mut zusprechen. Mittlerweile folgen fast 200.000 Menschen ihrem Instagram-Account "Mutausbrüche". "Ich habe keine Freundinnen, die dasselbe Problem haben. Deshalb ist es schön, wenn man zumindest online Gleichgesinnte findet und sich gegenseitig den Rücken stärkt." 

Elisabeth Kröpfl

Über Elisabeth Kröpfl

Seit Dezember 2021 beim KURIER. Zuerst im Ressort Lebensart, jetzt am Newsdesk. Spanisch- und Englischstudium in Graz, danach Journalismus-Master an der FHWien.

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