Wie süß: So beeinflusst der Geschmackssinn unser Handeln

Süße Geschmackserfahrungen machen Entscheidungen sozialer, das zeigt eine deutsche Studie.

Süß, wenn man teilt. Tatsächlich gibt es einen Zusammenhang zwischen süßem Geschmack und sozialem Verhalten. Das haben deutsche Forscher herausgefunden. Konkret zeigten sich Testpersonen nach einem "Zuckerschock" spendabler gegenüber Mitmenschen als in nüchternem Zustand. 

Wichtig vom ersten Tag an

Seit jeher ist der Geschmackssinn für Menschen überlebenswichtig. Dank diesem kann unbedenkliche von potentiell gefährlicher Nahrung schnell unterscheiden werden. Der evolutionär sehr alte Sinn, den bereist wenige Wochen alte Embryos entwickeln, scheint aber noch viel mehr zu leisten. Neue Forschungen belegen, dass Geschmackserfahrungen das Denken und Verhalten beeinflussen. Süßes macht Entscheidungen sozialer. Das zeigt eine Studie mit funktioneller Kernspintomographie an der MSB Medical School Berlin, in Zusammenarbeit mit der Universität Magdeburg.

Geld aufteilen

Im Experiment bekamen Proband:innen süße, salzige oder neutrale Geschmacksproben, bevor sie spielerisch Entscheidungen treffen mussten. Ihre Aufgabe: Sie sollten 15 Euro zwischen sich und einer anderen, unbekannten Person aufteilen. Die Versuchskaninchen hatten dabei die Wahl zwischen zwei Varianten, einer egoistischen und einer sozialen. Egoistisch sein bedeutete, dass die Teilnehmer selbst 7,80 Euro einkassierten und der zweiten Person 7,20 Euro überließen, sozial sein das genaue Gegenteil. Während die Probanden unter dem Einfluss der verschiedenen Geschmacksrichtungen die Geld-Entscheidungen fällten, lagen sie in einem funktionellen Magnetresonanztomographen, der ihre Hirnaktivität in Echtzeit überwachte.

Das Fazit: Die Zuckergoscherl, die unmittelbar vor dem Entscheidungsspiel die süße Probe bekamen, agierten gegenüber den Mitspielenden freundlicher. Das Aroma hatte bei der Bewertung von unterschiedlichen Produkten keinerlei Einfluss. Süßer Geschmack scheint also sehr spezifisch mit prosozialem Verhalten zusammenzuhängen.

Zucker wirkt auf spezielle Hirnbereiche

Die Studie konnte zum ersten Mal die neuronalen Mechanismen dieser Effekte aufzeigen. Der Effekt des süßen Geschmacks auf unser Sozialverhalten war dabei mit dem dorsalen anterioren cingulären Kortex verbunden. Dieser Hirnbereich nimmt eine wichtige Funktion in der Kontrolle von Konflikten und Entscheidungen ein, zum Beispiel, bei der Wahl einer eher sozialen oder egoistischen Reaktion.

Da der anteriore cinguläre Kortex mit Hirnarealen für das Geschmacksempfinden verbunden ist, scheint der süße Geschmack das Entscheidungsverhalten über diese Hirnregion verändert zu haben. Die Hintergründe dieser Effekte sind noch unklar. Sprache könnte eine wichtige Rolle spielen. Nicht nur in der deutschen Sprache, sondern beispielsweise auch im Englischen oder in Mandarin, markiert die Süß-Metapher eine Verbindung von romantischen Gefühlen mit süßem Geschmack, wie es zum Beispiel in “süßen” Kosenamen deutlich wird. Auch frühkindliche Erfahrungen werden als Ursache dieser psychologischen Süß-Effekte diskutiert. Der süße Geschmack der Muttermilch könnte dahingehend bedeutend sein, da hier früh eine Verbindung zwischen süßem Geschmack und sozialem Verhalten gebildet wird.

Weiter Studien notwendig

Die Forschenden betonen, dass weitere Studien zur Absicherung ihrer Ergebnisse erforderlich sind. Sie räumen ein, dass die absoluten Unterschiede im sozialen Verhalten relativ klein waren. Zudem wurden die Experimente in einer experimentellen Umgebung durchgeführt. Die jetzt in der Zeitschrift Scientific Reports veröffentlichten Studienergebnisse zeigen aber, welche komplexen und erstaunlichen Wirkungen Geschmackswahrnehmungen auf das Denken und Verhalten des Menschen haben können.

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