Welttag des Käses: Bastionen des weißen Goldes

Kaum zu glauben: Tatsächlich wird in einigen Ländern das Thema Milch und Käse museal aufbereitet. Ein Abstecher zu erstaunlichen Milch-, Molkerei- und Käsemuseen Europas.

Surreal! Unfassbar! Zauberhaft! Gäste des historischen Milchladens der Gebrüder Pfund in der Dresdner Bautzener Straße überschlagen sich nicht selten mit Superlativen. Tatsächlich ist das 130 Jahre alte Milchgeschäft, das seit 1997 als „Schönster Milchladen der Welt“ im Guinnessbuch der Rekorde verzeichnet und nach wie vor in Betrieb ist, ein Kleinod europäischer Milchkultur. Das Herzstück des 250 Quadratmeter großen Geschäftes sind die original aus 1892 erhaltenen Fliesenbilder von Villeroy & Boch. Das aufwendige Dekor erzählt kunstvoll die Geschichte des Molkereihandwerks. Zudem erfahren Besucher vieles über den Gründer der Dresdner Molkerei Paul Gustav Leander Pfund (1849–1923), der dieses schöne Geschäft einst gestalten ließ.

Pfund kam, bereits in der Landwirtschaft bewandert, 1879 mit seiner Frau Mathilde, sechs Kühen und ebenso vielen Schweinen nach Dresden. Dem 30-Jährigen fiel damals eines sofort auf: Die Hygiene rund um die Milch ließ zu wünschen übrig. Sie wurde damals aus umliegenden Dörfern noch in offenen Pferdewagen – meist ungekühlt – in die Stadt gekarrt. Nachdem die Milch in Sammelstellen abgeliefert worden war, fuhren die knorrigen Kutschen, dann mit Altkleidern und Küchenabfällen beladen, zurück aufs Land. Für Pfund waren das unhaltbare Zustände, die er durch eine eigene Molkerei zu ändern suchte. 

 

Die Vielfalt holländischer Käse offeriert das Cheese Museum in Amsterdam 

©Getty Images/Inna Felker/IStockphoto.com

Erste Schaumolkerei

„In der Dresdner Görlitzer Straße eröffnete Pfund das erste Milchgeschäft. Durch Fenster im Verkaufsraum konnten Kunden zusehen, wie Kühe gemolken, die Milch zwei Mal durch feine Tücher geseiht und abgekühlt wurde“, sagt Simone Wülfing von der Dresdner Molkerei Gebrüder Pfund.  „Im Grunde war das die erste Schaumolkerei der Geschichte.“ Hatte man mit 150 Litern Milch pro Tag begonnen, wurden in den 30er-Jahren täglich 60.000 Liter in der Molkerei verarbeitet. Damals belieferte man die Stadt Dresden, grenzüberschreitend auch etliche Länder mit Milchprodukten: Butter, Obers, Käse, Joghurt, Kefir, Buttermilch, Milchpulver, auch Milchseife und Kondensmilch. Bald übersiedelte man an den größeren Standort in der Bautzener Straße, wo 1892 das schöne Milchgeschäft eröffnet wurde. Hier wird sichtbar, was für ein Ästhet und genialer Macher Paul Pfund gewesen ist. Er baute die Molkerei zum Mikrokosmos aus – mit Labor, Kartonagenfabrik, Druckerei, sogar eine Beschlagschmiede für 100 Pferde gehörte dazu. Pfund führte die Pasteurisierung ein und erfand die Kondensmilch. Simone Wülfing: „Heute kann man dieser Erfolgsgeschichte in unseren historischen Räumen nachspüren und dabei natürlich frische Milchprodukte genießen.“

Käsekosmos Frankreich

Von der Historie zu modernen Milchmuseen von heute. Im „Lactopôle André Besnier“ im französischen Laval, Départment Mayenne, erfährt man alles, wirklich alles, über Milch und Käse  – ausgehend von der handwerklichen Verarbeitung in den  50er-Jahren bis zu den industriellen Herstellungsmethoden unserer Tage. Besucher werden auch über neue, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu Milchprodukten und zeitgemäßer Ernährung informiert. Das „Lactopôle“ ist das größte Museum für Milch und Käse weltweit – mit 4.000 Gegenständen und Dokumenten auf 5.000 Quadratmetern. 

Frankreich ist in Sachen Käse überhaupt der globale Player mit einer Fülle an Käsespezialitäten von Weltrang. Davon kann man sich auf der Käsestraße – der „Route des Fromages“ – durch die Normandie überzeugen. Die Region zwischen Pays d’Auge und Pays d’Ouche ist ein Käseparadies, flankiert vielerorts von Köstlichkeiten wie Livarot, Pont-l’Évêque, Neufchâtel und Camembert. Letzterem sind im gleichnamigen Dörfchen gleich zwei Museen gewidmet. Im „Maison du Camembert“ und im „Ferme Président“ erfahren Besucher alles über den französischen Weichkäse. Genussvoll wird die Entstehungsgeschichte des Käses zelebriert. Dessen Erfinderin war die Bäuerin Marie Harel. Um 1796 soll sie erstmals Camembert – unter Anleitung eines aus der Brie geflohenen Priesters – hergestellt haben.  Connaisseure danken es dem Duo bis heute.

Nationalstolz

Auch in der Schweiz ist Käse ein Nationalgut, dem man im „Nationalen Milchwirtschaftlichen Museum“  in Kiesen, Kanton Bern, gewissermaßen ein Denkmal gesetzt hat.  1815 wurde hier die erste Dorfkäserei in Betrieb genommen. Hergestellt wurde ein dem Emmentaler ähnlicher Hartkäse. Nach dem strengen Reglement wurde dazu ausschließlich entrahmte Milch von Kühen, nicht von Schaf oder Ziege, verwendet. 
Das Museum, dessen Wurzeln auf das Jahr 1965 zurückgehen, greift die Geschichte der Käserei mit detailreicher Präsentation auf. Unter anderem werden in einer alten Käseküche die Produktionsbedingungen  vor 150 Jahren nachgestellt. Videowalls visualisieren weiters den Beginn der gewerblichen Käseherstellung, denn ursprünglich wurde in der Schweiz Käse nur auf den Almen produziert. Im Jahr 1815 nahm dann die erste genossenschaftliche Dorfkäserei für Emmentaler den Betrieb auf. Das blieb bis zum Ende des 19. Jahrhunderts so–  bis die Käserei in Kiesen 1974 in ein Museum umgewandelt wurde. Heute ist es eine Pilgerstätte für Käsefans. 

Welttag des Käses...

...ins Leben gerufen vom Internationalen Milchwirtschaftsverband. Vielerorts werden dann – von Neapel bis Scottsdale –  Kostproben der über 2.000 bekannten Käsesorten angeboten. Weshalb Scottsdale? Im US-amerikanischen Eissalon „Sweet Republic“ gibt es das berühmte Honig-Blauschimmelkäse-Eis.
 

Cordula Puchwein

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