"Mach-ins-Bett-Salat" - oder der besondere Charme von Löwenzahn

Kräuterexpertin: Die Pflanze ist ein Frühlings-Energiebooster, der nicht nur herrlich schmeckt, sondern auch entgiftend wirkt.

Très charmant, was französische Köche vom Löwenzahn halten. Während sich die Hobbygärtner hierzulande die Haare raufen, weil die Pflanze ihren eleganten Rasen in eine wilde Wiese verwandelt, gehen die Franzosen raus und schnappen sich eine Portion davon. „Pissenlit“ heißt das Kraut in Frankreich, übersetzt: „Mach ins Bett“, was auf die harntreibende Wirkung zurückzuführen ist. In Frankreich hat die Pflanze eine lange kulinarische und naturheilkundliche Tradition - legendär: Löwenzahnsalat nach Lyoner Art, mit Croutons und gekochten Eiern. Oder „Cramaillotte“, eine Art veganer Honigersatz aus Löwenzahnblüten, Zucker und Zitrone, wie Gelee eingekocht.

Arme-Leute-Essen

Kochen mit Wildkräutern boomt auch in Österreich – und da ist Löwenzahn im Jahreslauf eines der ersten Wildnis-Superfoods, das nach einem langen Winter für einen Energieschub sorgt, betont Franziska Polsterer, Expertin für Heilkräuter und Wildkräuterkunde sowie Gründerin der „Engelsgarten Kräuterschule“. Wohl deshalb galt er einst als „Arme-Leute-Essen“, erzählt sie: „In Krisen- und Notzeiten war Löwenzahn im Frühling immer sehr beliebt, die Menschen gingen hinaus in die Wälder und auf Wiesen, um sich das Gemüse zu holen. Erstens, weil es gratis war, zweitens hatten sie im Winter nichts Frisches zu essen, da kam der vitaminreiche Löwenzahn gerade recht.“ Und: Geröstete Löwenzahnwurzeln wurden früher als „falscher Kaffee“ verwendet – ähnlich wie Zichorie.

Doch auch als Heilkraut hat die Wildpflanze eine lange Tradition: „Löwenzahn wurde bereits früh in den Kräuterbüchern beschrieben, in unseren Breiten findet sich eine erste schriftliche Erwähnung im 16. Jahrhundert. Noch heute wird der Löwenzahn wegen seiner stärkenden Wirkung Ginseng des Westens genannt.“ 

Kräuterexpertin Franziska Polsterer

©(c) Miriam Mehlman

Überraschend vielseitig

Unüberhörbar: Löwenzahn ist das Lieblingskraut der Kräuterexpertin, neben Schafgarbe und Brennnessel. „Besonders jetzt, im Frühjahr regt er den Stoffwechsel, die Verdauung, die Leber, aber auch den Gallenfluss an. Das hat einen reinigenden und vitalisierenden Effekt.“ Zudem ist er eine Delikatesse, die überall wächst, leicht zu finden und überraschend vielseitig ist. „Löwenzahn vereint in sich mehrere Geschmacksrichtungen. Seine Blätter schmecken leicht bitter, zugleich aromatisch und frisch, während die Blüten sehr süß sind. Außerdem kann man davon alles essen.“ Von der Blüte über die Blätter bis zur Wurzel – sowie die Stängel, wie Polsterer betont. Wobei die darin enthaltene „Milch“ gut ausgewaschen werden muss, weil sie leichte Übelkeit verursachen kann, Kinder sollten sie gar nicht essen. 

Löwenzahn - der Energiebooster

©Getty Images/iStockphoto/Elena Vafina/iStockphoto

Und so werden aus den Knospen „Löwenzahnkapern“, die sich perfekt als Antipasti eignen: Eingelegt in eine würzige Marinade aus Essig, Öl, etwas Honig und Salz. Die Blüten wiederum passen perfekt zu Desserts, eingebacken in Kuchen, als Zutat von Pannacotta oder Pudding, als süßer gelber Sirup mit intensivem Aroma. Und die Wurzeln? „Die sind vor allem im Frühjahr eine zarte Beilage. In feine Scheiben geschnitten, werden sie in einer Pfanne mit gutem Olivenöl leicht angedünstet, mit Zitrone und Walnussöl beträufelt und gesalzen.“ Die Blätter selbst werden ähnlich wie Spinat oder Rucola verwendet: frisch (im Salat, auf Pizza und Flammkuchen, im Pesto) oder gekocht, in Suppen, in Knödeln, im Risotto.  Oder mitgedünstet in Blattgemüse wie etwa Spinat. Polsterer selbst liebt „Röhrlsalat“ – ein noch warmer Erdäpfelsalat, vermischt mit Löwenzahnblättern. Was sie ebenfalls schätzt: "Löwenzahn-Oxymel. Dafür nehme ich alles, von den Blättern, der Blüte bis zur Wurzel, wasche, trockne und schneide alles klein. Das wird mit einem Mix aus Honig und Essig übergossen. Zwei, drei Wochen ziehen lassen, abseihen und vermischt mit Wasser trinken. Am besten in der Früh, als wunderbare Kur für die Verdauung und die Darmflora."

Tipp:

Für jene, die jetzt Gusto auf das Grün bekommen haben, ein Pflücktipp: Löwenzahn wird idealerweise im eigenen Garten oder von unbelasteten Wiesen gepflückt, abseits von stark befahrenen Straßen und auch von Wegrändern, wo Hunde gehen. Ebenso nicht nahe stark genutzter Landwirtschaft, wo gedüngt wird oder Pestizide eingesetzt werden. 

Rezept "Röhrlsalat"

Zutaten 

  • Frische junge Löwenzahnblätter
  • Die gleiche Menge in Gramm an speckigen Erdäpfeln 
  • Apfelessig 
  • Estragonsenf 
  • Salz & Pfeffer  
  • Kürbiskernöl  

Zubereitung

  • Die Löwenzahnblätter waschen, trocken schleudern und quer zum Blatt in feine Stücke schneiden. 
  • Währenddessen die Erdäpfel kochen, abschrecken, schälen und noch möglichst warm in Scheiben schneiden. 
  • Essig, Senf, Salz und Pfeffer verrühren. 
  • Die warmen Erdäpfel mit den Löwenzahnstücken, der Marinade und dem Kernöl mischen. Falls vorhanden noch ein paar ausgezupfte gelbe Löwenzahnblütenblätter darüber streuen. 
  • Wer möchte, kann als Topping noch gebratene Speckwürfel oder gekochte gehackte Eier auf den Salat geben. 
Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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