
Saisonstart für den König der Kräuter: Estragon
Alles neu macht der Mai – in unserem Fall peppen wir den altbekannten Erdäpfelkas mit Estragon auf und holen uns französisches Flair in die Küche. So darf er als Brotaufstrich auch auf Partys nicht fehlen, die im Wonnemonat besonders Spaß machen.
Die Frühlingssonne scheint mir auf die Nase, als ich an diesem herrlichen Tag über den Markt ins Café eile. Zu dieser Jahreszeit esse ich gefühlt jeden Tag Spargel, und so bin ich immer auf der Suche nach neuen Rezepten. Nach dem Morgenkaffee mit frisch gebackenem Guglhupf befrage ich Daniel. "Probier doch mal die Bozner Sauce aus", rät er mir, "ist praktisch eine Mayonnaise aus gekochten Dottern gerührt, mit ein wenig Spargelsud verdünnt und mit dem klein geschnittenen Eiweiß vermischt." "Da passt Estragon hervorragend dazu", meine ich, da ich vom Techtelmechtel dieses Krauts mit weißem und grünem Spargel seit längerem begeistert bin.
"Estragon wächst seit ein paar Jahren in meinem Kräuterbeet", erzähle ich der Studentin hinter der Bar, die mir den zweiten Cappuccino schäumt. "Er ist das erste Kraut, das im Frühjahr sprießt und schmeckt jung und zart am besten. Darum gibt es bei mir Spargel nie ohne Estragon".
König der Kräuter
"Macht Estragon nicht die Hollandaise zur Béarnaise?", fragt der Jüngste, der gerade von seiner langen Reise aus Asien zurückgekehrt ist. "In Frankreich wird Estragon als ,König der Kräuter’ gehandelt und ist auch in den ,Fines Herbes’ enthalten, zusammen mit Schnittlauch, Kerbel und Petersil", gebe ich mein Wissen zum Besten. "Die Franzosen wissen halt, was gut ist", sagt der Älteste zwinkernd, wohl wissend, wie sehr ich dieses Land liebe. "Allerdings,", bekräftige ich, "mit Estragon und seinem bittersüßen, anisartigen Aroma wird so vieles besser, denk mal an ein Omelette oder eine Tortilla. Estragonessig kannst du auch schnell machen, überhaupt ist er beim Einlegen unersetzlich", rede ich mich in Schwung. "Jetzt beginnt ja bald wieder die Saison!"
Einfach zauberhaft
Zuhause beim Recherchieren wächst mir das grüne Kraut immer mehr ans Herz. Allein schon der lateinische Name – Artemisia dracunculus – ist einfach wunderschön. Artemisia, da die Göttin Artemis dem Zentauren Chiron, der für seine Heilkünste bekannt war, das Kraut gab. Und dracunculus – kleiner Drache – wahrscheinlich, weil die gewundene Wurzel an einen Drachen erinnert. Nun verstehe ich auch den italienischen Namen „Dragoncello“. Die alten Griechen nutzten Estragon für Zaubereien und im alten Ägypten wurde das Duftöl des Estragons für die Gottheit Isis als Opfer verbrannt. "Einfach zauberhaft", erzähle ich dem Liebsten, der gerade in die Küche hereinschneit.
Apropos Liebster, bald sind wir unglaubliche 35 Jahre verheiratet und werden das Jubiläum mit einer Sause im Café feiern. Da wünsche ich mir das Zauberkraut herbei, und so plane ich, zum Aperitif frisches Bauernbrot mit Erdäpfelkas, verfeinert mit Estragon, zu reichen. "Bodenständig – mit Pfiff", lache ich den Liebsten an. "Das geht auch als Motto für unser Leben durch!"
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