Warum Rudolf Obauer Regionalität nicht nur gut findet

Manche schreiben Bücher, um sich für die Nachwelt zu verewigen. Andere, weil sie sich ärgern. So auch Haubenkoch Rudolf Obauer.

Einen Fünf-Hauben-Tempel sollte man das Restaurant der Brüder Karl und Rudolf Obauer besser nicht nennen. Da kann „der Rudi“ richtig vehement werden. „Da kriegst’ ja a Angst, wennst’ noch nie da warst.“ Die sei sowieso fehl am Platz, betont der jüngere der seit vielen Jahren hochdekorierten Köche aus Werfen in Salzburg. Für 2022 vergab der Restaurantguide Gault&Millau fünf Hauben, sie waren „Köche des Jahres“ (2011) und des Jahrzehnts (2004–2013). Und trotzdem betont Rudi Obauer: „Wir haben über Jahrzehnte bewiesen, dass gute Küche etwas ganz Normales ist. Aber wir erleben noch immer, dass manche Gäste beim ersten Besuch sagen: Es ist ja eh ganz normal da.“

©Gräfe und Unzer / Armin Walcher

Bei aller Qualität, die den präzisen Stil der Obauers prägt, ist wohl vor allem die Bodenhaftung dafür verantwortlich. „Man kann nicht kreativ sein, wenn man Unruhe um sich hat. Wir haben das Glück gehabt, dass das in unserer Familie entstanden ist. Das hat alles Stabilität, wir haben Mitarbeiter, die seit vierzig Jahren bei uns sind.“ Sogar vierundvierzig Jahre arbeiten die Brüder zusammen – „Wir sind wie Yin und Yang. Ich sag’ immer, der Karl ist der Wirt. Es ist wie bei einem Fußballklub, die einen machen den Rasen, die anderen müssen spielen.“

Um das Match zu gewinnen, gehört einiges dazu. „Das langjährige Handwerk, mit gewisser Tradition und Ausdauer, das gehört alles zusammen, damit du etwas Bleibendes schaffen kannst.“ Die Brüder sehen sich vielmehr als Handwerker denn als Künstler – alles ist Handwerk in der Küche! „Wenn ich Schnittlauch schneide, ist das Handwerk. Und wenn ich Lamm- oder Kalbfleisch zerteile, genauso.“ Das neue Kochbuch „Total Obauer“ passt zur Philosophie.

Rückblick

Einerseits als eine Art Rückblick auf vierzig Jahre Gastronomie. „Mein Bruder ist 69, ich bin 62. Wir kommen auch in die Jahre. Dieses Buch soll zeigen, dass die sogenannte Haubenküche ganz normal ist.“ So normal, dass Gerichte wie „Lungauer Eachtling mit Brennesseltopfen“ (Lungauer Erdäpfel sind eine geschützte Marke, Anm.) mit der gleichen Selbstverständlichkeit zelebriert werden wie „Steinbutt mit Pilzen und Gänseleber“. „Die Rezepte sind ja wirklich so, dass es jeder machen kann. Und Erdäpfel kennt jeder.“ Gewürzt mit Leindotteröl, Steinklee und Fichtenwipfelsirup, wird aus an sich schlichten Erdäpfeln mit Kräutertopfen etwas Neues. „Da kann man zeigen, dass man mit anderen Kräutern, Gewürzen und Erdäpfelsorten ein anderes Geschmackserlebnis zusammenbringt.“

Keine Berührungsängste

Die Obauer-Philosophie beinhaltet auch, keine Berührungsängste zu haben. Vor Exotischem etwa. Oder – vermeintlich – Exklusivem, wie etwa Gänseleber. Rudolf Obauer erklärt das mit Abwechslung, die für beide Seiten, Gast und Koch, befriedigend sei. „Wir haben genauso Hirschleber, Kalbsleber. Aber wir haben eben auch Gänseleber.“ Das Buch sei auch „aus einem gewissen Ärger heraus“ entstanden. „Dass derzeit alles in das Regionale hineingedroschen wird. Wenn man in jedem Wirtshaus das Gleiche bekommt, hat der Gast auch einmal genug. Warum soll man Bewährtes wieder auseinanderdividieren?“

Die Küche sei ohnehin das beste Beispiel, dass Integration funktionieren kann. „Lammgulasch und Lammcurry, die vertragen sich. Wenn die Dosis stimmt. Das sieht man auch immer wieder in unserer Küche. Und es ist ja kein großer Unterschied, ob ich Sauerkraut oder Kimchi mache. Im Grunde ist das nichts anderes, nur dass zum Kimchi Chili dazukommt und es schärfer ist.“

Buchtipp:
„Total Obauer! Große Küche aus Österreich“ von Rudolf Obauer, 288 Seiten, 32,90 Euro, erscheint am 4. Juli 2022 

Rezept: Seezungen-Lasagne

Vorbereitung: 20 min
Zubereitung: 60  min Portionen: 4

400 g Seezungenfilet ohne  Haut, in Stücke geschnitten
150 g Champignons geputzt, blättrig geschnitten
4 Paradeiser geschält, entkernt, klein geschnitten
Butter, Olivenöl, Zucker, Salz, Pfeffer
Basilikumblätter eher groß

für die Fischfarce
2 Fischfilets fein geschnitten
125 ml Schlagobers, 1 Ei sehr gut gekühlt
Salz, Pfeffer, Zitronensaft

für den Nudelteig
180 g Hartweizengrieß, 80 g Mehl glatt
2 Eier, 2 Eidotter
2 EL Olivenöl

- Für den Nudelteig alle Zutaten verkneten, in Frischhaltefolie wickeln und dreißig Minuten rasten lassen
- Für die Farce Fischfilets, Schlagobers und Ei im Cutter zu einer feinen Masse zerkleinern und würzen
- Paradeiser in 1 EL Olivenöl mit einer Prise Zucker, Salz, Pfeffer und ein wenig Basilikum schwenken
- Nudelteig dünn ausrollen, 24 runde Blätter ausstechen (Durchmesser zirka 8 cm). Backrohr auf 210 Grad vorheizen
- Acht Soufflé-Förmchen mit Butter ausstreichen, in jedes zirka 1 mm hoch Olivenöl gießen, je zwei Basilikumblätter einlegen und mit einem Nudelblatt bedecken. Darauf etwas Fischfarce streichen, mit Champignons bestreuen und mit ein wenig von den Paradeisern und der Seezunge belegen. Mit Nudelblatt abdecken und auf die gleiche Weise eine weitere Etage in die Förmchen schichten. Mit Nudelblatt abschließen, dieses mit Olivenöl bestreichen
- Förmchen im Rohr elf Minuten garen, vor dem Servieren fünf bis zehn Minuten rasten lassen und auf Teller stürzen. Mit den restlichen geschmolzenen Paradeisern servieren

 

Ingrid Teufl

Über Ingrid Teufl

Redakteurin im Ressort Lebensart. Gesundheit, Wellness, Lifestyle, Genuss. Seit 1997 beim KURIER, Studium Geschichte/Publizistik, Germanistik, Politikwissenschaften [Mag.phil.] Mag Menschen, Landschaften und Dinge, die gut tun, gut schmecken, gut riechen, neu sind.....und darüber schreiben.

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