Kantine de luxe: Warum Firmen auf gehobene Restaurants setzen

Gutes Essen fördert den Gemeinschaftssinn, sagen Gastrosophen. Nicht nur deswegen gibt es Spitzengastronomie im Unternehmensumfeld. Was hinter den Konzepten steckt.

Das Mittagessen in der Kantine kann furchtbar sein. Lauwarm, labbrig, überwürzt. Es kann den Arbeitsnachmittag erschweren, weil es im Bauch arbeitet. Doch hinter den Fassaden einiger Firmenzentralen verbirgt sich eine Welt des Genusses. Es sind keine gewöhnlichen Kantinen, sondern Orte, an denen die Kreationen von Köchen die Geschmacksknospen betören.

Speisen auf Haubenniveau gibt es nicht mehr nur für erlauchte Kreise bei Rückversicherungen mit Blick auf den Zürichsee oder bei Privatbanken. Legendär war einst das exklusive Restaurant der Wiener Schoeller-Bank. Unternehmer Herbert Schoeller galt als Feinschmecker.

In den vergangenen Jahren haben auf Firmengeländen Lokale aufgesperrt, die auf Spitzenküche setzen. Business-Lunch und Tageskarten zu Mittag, abends darf es bei manchen sogar auch Fine-Dining sein.

Kantine und Restaurant

Mikro-Drink-Hersteller Waterdrop ist im Vorjahr in die ehemalige Gösserhalle in Wien-Favoriten eingezogen. Das Backsteingebäude beherbergt nicht nur stylische Büros, sondern auch das Restaurant Steinhart der Gastro-Profis Florian Steiner und Klaus Hartl. Die Waterdrop-Mitarbeiter nutzen es mittags als Kantine. Das Abendprogramm ist ambitioniert, es gibt Menüs. Die Köche David Siegele und Luca Breuss waren zuvor beim Dreisterner Amador beziehungsweise im Kelsen.

„Grundsätzlich ist es nicht verkehrt, sich von Fertigprodukten zu verabschieden und mit Liebe zu kochen“, sagt Michael Brauer. Er leitet die Gastrosophie an der Universität Salzburg. Und das sei nicht nur gut für die Gesundheit und den Genuss. Auch der Teamgeist profitiere.

 „Gutes gemeinsames Essen fördert die Gemeinschaft. Schlechtes Essen ist der Gemeinschaft nicht zuträglich. Das wissen wir aus Studien über Altersheime oder Krankenhäuser.“

Schade findet Brauer, dass hohe Qualität nur im Umkreis von Firmen angeboten wird, die es sich leisten können. „Es wäre schön, wenn auch Kantinen die Qualität nach oben schrauben.“

Kantinen gelten gemeinhin nicht als Hort gepflegter Kulinarik.

©Getty Images/Hispanolistic/iStockphoto

Mit hippen Lokalen könne man sich auch ein gutes Image verschaffen. Nach außen wie nach innen. „Die Mitarbeiter können sich denken: ‚Das ist cool und lässig. Wir können dort zu Mittag essen, wo man am Abend reservieren muss.‘“

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Gut gebucht ist das MYC in Ried im Innkreis. Es ist in der Team 7 Welt angesiedelt und mit Stücken des Premiummöbel-Herstellers ausgestattet. Das Lokal setzt auf regionale und nachhaltige Küche: Es gibt Mittagsmenüs, eine eigene Wirtshauskarte und abends auch gehobene Restaurantküche. Die Köche Karl Gramberger und David Gattringer waren zuvor in Wien, Salzburg, in den USA oder an der Algarve, bevor sie schließlich ins Innviertel zurückkehrten.

Das Restaurant MYC  ist in der Team-7-Welt des Möbelherstellers in Ried im Innkreis angesiedelt

©TEAM 7

Team-7-Geschäftsführer Georg Emprechtinger war mit den beiden Betreibern sofort auf einer Wellenlänge. Und er gab eine gewisse Stoßrichtung vor: „Ich wollte, dass das Restaurant in der Region bekannt wird. Meine Vorgabe war: das beste vegetarische Gericht und den besten Espresso! Eine hochwertige vegetarische Küche lag mir am Herzen.“

Dass man heutzutage als Unternehmen mit gewissem Renommee ein Restaurant auf dem Firmengelände haben muss, glaubt Emprechtinger nicht. Aber das MYC sei nun mal eine Bereicherung: „Für unsere Mitarbeiter, unsere Kunden, aber auch die Menschen in der Region und darüber hinaus.“

Lust am Genuss

Der deutsche Philosoph und Kulturwissenschaftler Harald Lemke sieht diese Entwicklungen dem Zeitgeist entsprechend: „Das Kulinarische erfährt eine gesamtgesellschaftliche Aufwertung. Die Lust am Genuss, am Tafelvergnügen und an der Geselligkeit steigt. Das ist auch den Unternehmen bewusst.“

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Bei aller Aufwertung des Kulinarischen: „Die Arbeitswelt an sich wird aber nicht infrage gestellt.“ Lemke, der in den Bereichen Ernährungsethik und Gastrosophie forscht, sähe es lieber, wenn Mitarbeiter ihr Mittagsessen gemeinsam zubereiten und plädiert für mehr Zeit fürs Essen – und für mehr Bewusstsein dafür: „Interessanterweise passiert so etwas in der Kantine des Raumfahrtunternehmens Space X des Kapitalisten Elon Musk.“ 

Dessen Bruder Kimbal ist Gastronom und wirbt für frische, lokale und nachhaltige Lebensmittel „From farm to table“. „Der Abschied von der Erde, den Space X vorbereitet, braucht ultimativen Fun“, so Lemke. „Man gärtnert und fühlt sich mit der Erde verbunden, die man verlässt.“

Tipps

Iki: Die Macher des Mochi-Imperiums haben das Konzept für den Asia-Hotspot am Erste-Campus in Wien erstellt. iki-restaurant.at

Minoritenstüberl: Der Klassiker in Wien: Andi Wojtas Klassiker im Unterrichtsministerium. Immer nur mittags, von Montag bis Freitag. andiwojta.at

Walters: Als das Lokal im Industriezentrum  Nord in NÖ im Vorjahr eröffnete, leitete Haubenkoch Robert Letz die Geschicke. 400 Personen können hier gleichzeitig essen, inkl. à la carte. flavourdistrict.at

Justizcafé: Szene-Gastronom  Ivo Brnjic kocht am Dach des Justizministeriums. justizcafe.at  

Arravané: Thomas Galler hat das Restaurant am Merkur Campus in Graz 2022 von Starkoch Konstantin Filippou übernommen. arravane.at

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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