Sommelier-Weltmeister Marc Almert

Spitzen-Sommelier Marc Almert über Trends und Künstliche Intelligenz

Ein Gespräch über seinen Beruf, Herausforderungen im Weinbau und ob Künstliche Intelligenz eine Chance in der Weinwelt hat.

Rotwein zum Käse – das wird zwar gern kombiniert, die beste Wahl ist es allerdings nicht, findet Marc Almert. "Das klappt nur bedingt. Käse hat ja auch etwas Bitteres. Wenn ich da mit Tannin weitere Bitterstoffe zugebe, addiert sich das und am Ende bleibt ein sehr bitteres Mundgefühl." Man glaubt ihm aufs Wort, immerhin gibt ein Sommelier-Weltmeister seine Expertise ab. Das war 2019, und der gebürtige Deutsche erst 27. Ein Gespräch über seinen Beruf, Herausforderungen im Weinbau und ob Künstliche Intelligenz eine Chance in der Weinwelt hat.

Was macht für Sie einen guten Sommelier aus?

Marc Almert: Wir versuchen, am Tisch für die jeweilige Situation, Gruppe oder Einzelperson den passenden Wein bzw. das passende Getränk zu finden. Das ist eigentlich das Spannende, man muss ein guter Zuhörer sein, sich Dinge gut merken, neugierig bleiben. Ein wenig sind wir Geschichtenerzähler, Verkäufer. Am häufigsten beschreibe ich uns als Botschafter, weil wir eigentlich nichts selbst herstellen. Ein Barkeeper kreiert Cocktails, ein Koch kocht Gerichte, während wir eigentlich nur aussuchen und vermitteln. Es ist ganz wichtig, herauszuspüren, wen ich in welcher Situation vor mir habe. Derselbe Gast wird zu Mittag beim Geschäftsessen etwas anderes bestellen als abends. Im privaten Rahmen ist man vielleicht sogar wagemutiger, etwas auszuprobieren.

Ein Sommelier muss aber auch viel Wissen über Wein haben.

Ja, das macht ja auch den Reiz aus, es wird nie langweilig mit dem Thema! Es gehört auch dazu, Jahrgangsunterschiede zu verstehen oder ein Gefühl dafür zu bekommen, wenn Weingüter im Umbruch sind. Das Schöne am Sommelier-Beruf ist, dass man oft aus dem eigenen Betrieb hinauskommt, externe Eindrücke sammeln kann und Kontakt mit Kollegen aus aller Welt pflegt, etwa was sie in London gerade beschäftigt. Das ist eine Stadt, die oft Trends vorgibt.

Sommelier-Weltmeister Marc Almert

"Das Thema Wein wird nie langweilig": Sommelier-Weltmeister Marc Almert erzählt über den Reiz seines Berufs 

©Kurier/Juerg Christandl

Welche Trends gibt es derzeit? 

Einige Trends sehen wir schon länger, sie werden auch noch bleiben. Einerseits das Thema Rosé bei Wein und Schaumwein. Andererseits das Thema Nachhaltigkeit, etwa biodynamische Weine und auch Natural Wines. Was kommen wird: In vielen Welt-Großstädten taucht bereits „low and low“ auf, also Getränke – nicht nur Wein – mit wenig oder gar keinem Alkohol. Dazu zählen entalkoholisierte Weine, aber auch Weinalternativen wie Tees oder Kombuchas. Spannend im biodynamischen Anbau sind derzeit pilzwiderstandsfähige Sorten. Das sind Kreuzungen, die zuerst im Versuchsanbau waren, nun zunehmend in den breiteren Anbau kommen. Die Idee dahinter: Selbst beim Bioanbau müssen im Weinberg gewisse Spritzmittel ausgebracht werden. Das lässt sich mit Pflanzen verhindern, die von sich aus mehr Resistenzen aufbauen. Diese Rebsorten haben dann eine Chance, widerstandsfähiger zu sein.

Ist der Klimawandel im Weinbau ein Thema?

Ja, es gibt Verschiebung von Rebsorten und neue Regionen. Ein Beispiel: Wir arbeiten sehr eng mit einem britischen Schaumweinhersteller zusammen, das hätte es vor 20 oder 30 Jahren nicht gegeben. Mittlerweile hat die Südküste Englands ein ähnliches Klima wie vor 20 Jahren die Champagne. Auf der anderen Seite hat man in Deutschland früher nur Spätburgunder als Rotweine angebaut. Jetzt wächst auch Cabernet Sauvignon oder Shiraz dort und wird Jahr für Jahr reif. Die Kehrseite ist, dass Rebsorten, die eigentlich für kühles Klima geeignet sind, zunehmend Schwierigkeiten haben. Reagiert wird darauf unterschiedlich, etwa in der Art, im Weinberg zu arbeiten. Früher wurde etwa nur in unseren Breitengraden auf Südlagen gesetzt, weil es die wärmsten waren. Jetzt geht man eher in die Seitentäler oder in Nordlagen, wenn man neue Weinberge pflanzt. Das Problem beim Wein ist, man kann nicht schnell etwas verändern. Bis eine Rebe angepflanzt ist, gut verwurzelt hat und bis man gute Weine daraus macht, vergehen mindestens fünf Jahre, und noch mehr.

Was halten Sie von Künstlicher Intelligenz in der Weinwelt?

Es gibt durchaus Einsatzmöglichkeiten für KI. Aber der Faktor Mensch wird sich trotzdem nicht ersetzen lassen. Ich glaube, es gibt viele Dinge in der Weinwelt, die KI gut kann. Etwa in der Ausbildung, wo viele Sommelierprüfungen darauf ausgelegt sind, auswendig Gelerntes wiederzugeben. Es war schon vor KI eine Diskussion, ob das noch zeitgemäß ist. Bei Weinbeschreibungen für Onlineshops hat KI sehr gute Chancen, wenn man ihr gute Daten vorgibt, glaube ich. Manches in Richtung Algorithmen ist für Onlineshops interessant, etwa Vorschläge bei Vorlieben für eine Weinsorte. Aber dafür braucht es gut gepflegte Datenbanken, die aber eher für größere Weinhandlungen relevant sind. Was dabei ein bisschen verloren geht, sind die persönlichen Überraschungen. Da braucht man dann weiterhin Sommeliers, die Gespür haben oder etwas entdecken, obwohl es noch nicht in einer großen Datenmenge vorhanden ist. Da hoffe ich doch, dass ich nicht vor der Pension rausgeschmissen werde.

Ingrid Teufl

Über Ingrid Teufl

Redakteurin im Ressort Lebensart. Gesundheit, Wellness, Lifestyle, Genuss. Seit 1997 beim KURIER, Studium Geschichte/Publizistik, Germanistik, Politikwissenschaften [Mag.phil.] Mag Menschen, Landschaften und Dinge, die gut tun, gut schmecken, gut riechen, neu sind.....und darüber schreiben.

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