Sachertorte und Co für Allergiker: Wie ein Cafe den Nerv der Zeit traf
Margret Rothaug konnte nie im Kaffeehaus mit ihrer Familie Mehlspeisen genießen. Dann überlegte sich ihre Tochter ein Projekt.
Manchen Gästen empfiehlt man im „Sacher“, ein kleines Kaffeehaus im vierten Wiener Bezirk aufzusuchen. Der Grund ist nicht schlechtes Betragen im noblen Haus neben der Oper sondern die spezielle Ausrichtung des „Allergiker Cafés“. Hier können auch Gäste mit Zöliakie eine Sachertorte genießen – und zwar ohne gesundheitliche Beschwerden.
Im Lokal von Franka, 35, und Margret Rothaug, 64, wäre das in der Tat unwahrscheinlich.
Margret leidet selbst an Zöliakie und muss daher auf Speisen mit herkömmlichem Mehl verzichten. Das Klebereiweiß Gluten verursacht Entzündungen und schädigt den Dünndarm. Einzig totaler Verzicht hilft. „Wir konnten mit Mama nie einen Kuchen essen gehen“ erinnert sich Franka. Glutenfreie Angebote waren Anfang der 2000er-Jahre in der Gastronomie kaum vorhanden. Das Bewusstsein wuchs erst über die Jahre.
Interesse
Meist studieren Menschen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten, -allergien oder Darmerkrankungen wie Zöliakie Speisekarten ganz genau. Im „Allergiker Café“ kann man sich das im Grund ersparen. Es soll „jeder etwas zu essen finden – egal, welche und wie viele Lebensmittel er oder sie nicht verträgt“. Der Anspruch ist hoch, sagt Franka: „Du musst etwas Medizinisches vermitteln, das optisch ansprechend und schmackhaft gestaltet ist.“ Das gelingt so gut, dass der Unterschied nicht zu schmecken ist.
Begonnen hat das Projekt als Frankas Diplomarbeit an der Uni für Angewandte Kunst. Sie entwickelte ein fiktives Café, bis ins Detail. Die reale Umsetzung ergab sich dann 2014, und Margret brachte ihre persönlichen glutenfreien Lieblingsrezepte ein. „Die Zeit zwischen Projekt und Umsetzung war nötig“, finden sie rückblickend. Die Gastronomie hatte sich weiterentwickelt, und mit ihrem kleinen Lokal traf das Mutter-Tochter-Team einen Nerv. „Das Interesse war von Anfang an groß.“
Zwei Cheftypen
Vieles musste sich in der engen Zusammenarbeit zwischen Mutter und Tochter erst einspielen. „Besonders, wenn viel los war, musste man aufpassen, dass wir nicht in alte Muster fallen“, erinnert sich Franka. Ihre Mutter Margaret nickt dazu und sagt: „Wir sind beide Cheftypen.“
Und die Mutter räumt ein, dass sie eine spontane Innovation ihrer Tochter durchaus mal „irritieren“ kann. Gröbere Konflikte blieben bisher aus. „Wir haben beide unsere Gebiete, in denen wir sicher sind.“ Gebacken und gekocht (auf der Karte sind auch kleine Gerichte und Frühstück) wird von beiden. „Franka hat mehr vegane Ideen, ich bin da wohl mehr ein Kind meiner Zeit“, sagt Margret. Franka ebenso, sie betreut die Auftritte in Internet und sozialen Medien.
Eingespieltes Team
Nach zehn Jahren sind sie längst ein eingespieltes Team – „zwei gleichberechtigte Partnerinnen“. Mittlerweile ist auch Frankas jüngere Schwester Astrid, 27, in das Familienbusiness eingestiegen. Sich so gut zu kennen, ist trotz aller Unterschiede untereinander meistens von Vorteil, finden sie. „Man kann sich manches anders sagen. Das ist in der Familie leichter. Es ist eine gute Korrektur bei unterschiedlichen Meinungen.“ Worüber sich bekanntlich nicht streiten lässt, ist allerdings der Geschmack. Es überrascht kaum, dass bei Touristen die Sachertorte der Bestseller ist. Für Margret ist es nicht so einfach. „Ich habe so viele Lieblingstorten.“
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