Warum heimische Edelkrebse so faszinierend sind und wie man sie verkocht

Einst waren heimische Edelkrebse als Speise beliebt. Dann kam die Krebspest. Züchter wie Leopold Fichtinger aus dem Waldviertel helfen der Art wieder auf die Beine (und Scheren).

Die Tiere, die in Leopold Fichtingers Teichen im Waldviertel herumkrabbeln, sind begehrt. Wobei: eigentlich verstecken sie sich die meiste Zeit zwischen Steinbrocken und in Ziegelsteinen und krabbeln nicht. Wenn man sie aus dem Wasser herausholt, können sie aber schon in Angriffsstellung gehen. Während sie sich leicht aufbäumen, präsentieren sich ihre kraftvollen Scheren mit der charakteristischen roten Unterseite. Verständlich – die heimischen Edelkrebse wollen nicht verzehrt werden. „Tragst du die hinten in ein Lokal rein, kannst du sie vorne verkaufen. Ein jeder sagt, ich brauche 1.000 Kilo“, sagt Fichtinger über seine Wasserbewohner.

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Aber so einfach sei das nicht mit den Riesenmengen. „So ein heimischer Edelkrebs lässt sich nicht massenproduzieren. Das haben schon viele probiert. Und da kann man Millionen versenken.“ Er zählt ein paar Beispiele auf, wo die vermeintlich goldrichtige Investition in einer pekuniären Katastrophe geendet hat. Denn so ein großer Krebs, der bis zu 22 Zentimeter groß werden könne, beanspruche schon einmal einen Quadratmeter Platz. „Der ist auch nicht wie ein Fisch, der herumschwimmt, er braucht vor allem die Uferzone.“

Leopold  Fichtinger aus Groß Gerungs bei einem seiner zehn Zuchtteiche.

©Kurier/Gilbert Novy

Fichtinger aus Groß Gerungs hat offenbar alles richtig gemacht. Wo vor nicht einmal 15 Jahren noch Sumpflandschaft war, stehen heute zehn durch Fließwasser gespeiste Teiche.

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Besuchern bietet er, wenn es nass ist, Gummistiefel an, um die Anlage zu besichtigen. Im dunklen Waldviertler Wasser leben – wenn bald wieder die Jungtiere schlüpfen – 20.000 bis 30.000 Krebse. Feinschmeckern rinnt da das Wasser im Mund zusammen. Aber Krebse sind ein exklusives Gut. Für ein Kilo braucht es rund zehn bis zwölf Tiere. Bis man sie verspeisen kann, müssen sie vier bis fünf Jahre alt sein. „Das Kilo kostet rund 50 bis 60 Euro. Es ist schon eine teure Speise, vor allem, weil man ja zwei Drittel des Gewichts wegschmeißt.“

In vergangenen Zeiten war das anders. In beinahe jedem Bach lebten die Tiere und waren eine günstige und stets verfügbare Nahrungsquelle. „Im 18. Jahrhundert war der Krebs für die armen Leute das Essen schlechthin“, sagt der Züchter und packt ein Bonmotscherl aus: „Es gab sogar eine kaiserliche Verordnung, die besagte, dass dem Gesinde nicht an mehr als an drei Tagen Krebs vorgesetzt werden dürfe.“ Das nicht immer ganz ernst zu nehmenden „Appetit-Lexikon“, herausgegeben von Robert Habs und Leopold Rosner aus dem Jahr 1894, berichtete: „Wien konsumiert jetzt jährlich zwischen einer halben Million bis 600.000 Stück (1890 sogar 907.000 Stück)“. Aber da hatte die Krebspest, die um 1860 erstmals in Italien ausbrach, bereits Mitteleuropa im Griff.

Die Art unterstützen

„Mit Ballastwasser wurde unbeabsichtigt der Signalkrebs aus den USA eingeschleppt. Der brachte einen Fadenwurm, die Krebspest, mit und hier setzte ein Massensterben ein.“ Und weil die heimische Art verschwand, beging man einen folgenschweren Fehler: „In den 60er- und 70er-Jahren ist das Einsetzen des Signalkrebs stark gefördert worden.“ Verbauungen und Umweltverschmutzungen taten ihr Übriges. Seither fristet der Edelkrebs nur noch in autochthonen Regionen sein Dasein. Oder in Anlagen wie jener Fichtingers – die wohl die größte in Österreich ist. „Mein Ziel war, dass ich die Art unterstütze und sie voranbringe.“

Daher züchte er vor allem für Besatzteiche, lediglich ein kleinerer Teil gehe exklusiv zum „Bärenwirt“ nach Arbesbach. So wie er von den Tieren spricht, glaubt man ihm das sofort. „Mich fasziniert, dass er 20 Millionen Jahre unverändert ist.“

Hier kreucht und fleucht es: Kleinere Tiere beim Herumkrebsen, bevor sie in Teiche ausgesetzt werden.

©Kurier/Gilbert Novy

Der Edelkrebs sei eine Mimose und verletzlich, wenn er falsch behandelt wird. In der Häutungsphase brauche er ein Steinderl, damit er weiß, wo oben und unten ist. „Versuche im sterilen Wasser haben gezeigt, da weiß er nicht mehr, wo er ist. „Aber gleichzeitig ist er ein Büffel, der sehr viel aushält.“ Fichtinger zeigt auf ein Tier, das zwei unterschiedlich große Scheren besitzt: „Wenn die im Kampf eine verlieren, dann wächst sie wieder nach.“ Aber wie so oft beim Krebs, er hat zwei Gesichter und ist nicht nur ein Streithansl: „Der ist auch ein Herdentier.“

Er könne gut und gerne drei Wochen ohne Wasser auskommen. Nachsatz: wenn es kalt und feucht ist. Trübes Gewässer mache ihm, anders als oft angenommen, nichts. „Der hält so viel aus wie ein Karpfen.“ Wenn die Mistsuppe vom Feld ins Wasser rinne, schade das nicht sofort. Im Gegenteil: „Das sind Nährstoffe, die ergeben Plankton. Und das ist oft die erste Nahrung.“ Nur sobald das Tier mit chemischen Spritzmitteln in Berührung komme, werde es furchtbar. Dabei sei der Krebs „die Gesundheitspolizei des Wassers schlechthin. Er ist ein Allesfresser – vom Fischkadaver, Totfisch, Totholz, Laub.“ Fichtinger holt sogleich eine Kiste voll mit bitter riechendem Erlenlaub hervor. „Das ist die einzige Medizin, die ich verwende. Die Bitterstoffe sind wie Antibiotika.“

Der Mann kennt sich aus. Begonnen hat seine Faszination im Einkaufszentrum. „Während meine Frau shoppen ging, habe ich auf die Kinder aufgepasst. Wir sind dann immer in die Zoohandlung gegangen – und ich bin beim Aquarium gestanden, die Kinder bei den Hasen.“ Zwei Krebse setzte er im heimischen Schwimmteich aus. Die hielten aber, wie er erst später erkennen sollte, dem Einsatz von Insekten-Spritzmitteln nicht stand. Seine Frau schenkte ihm einen Gutschein für ein Seminar bei einem Züchter. „Da war ich vom Krebsvirus infiziert. Und da wollte ich unbedingt Teiche haben.“

Zwei Hektar für Krebse

Nach einem Burn-out sortierte der Planer für Fertigteilhäuser sein Leben neu, widmete sich neben Gebäuden auch den faszinierenden Tieren und machte ein zwei Hektar großes Grundstück urbar. Dort begrüßt ein metallener Krebs, ein Geschenk, die Besucher. In einer Holzhütte sammelt Fichtinger Exuvien – also abgestreifte Hüllen – aus der Häutungsphase. „Der Krebs schlüpft aus dem Panzer hinaus und ist eine Weile butterweich.“

©Kurier/Gilbert Novy

Apropos Butter: Am liebsten isst er die Krebse so, wie er sie beim „Bärenwirt“ bekommt: „In Knoblauchbutter und Basilikum geschwenkt, dazu Ravioli.“

Besuchern serviert Fichtinger die Krebse pur – wie früher. Er salzt und pfeffert kochendes Wasser und schüttet etwas Wein dazu. „Sie sterben sofort an einem Hitzeschock.“ Diese Zubereitung steht auch im „Appetit-Lexikon“ aus 1894. Auch dort kennt man „Krebse in Wein gesotten (aber nicht etwa in Champagner, eine Vergeudung)“. So glänzt er „in strahlender Schönheit auf dem Linnen der Tafel“. Und er schmeckt auch.

So sehen die Edelkrebse aus, wenn sie im heißen Wasser gekocht werden.

©Kurier/Gilbert Novy

„Der Krebs war früher in allen Schichten beliebt, auch in der bürgerlichen und höfischen Küche“, erklärt Historikerin und Buchautorin Ingrid Haslinger. „Man findet in den alten Kochbüchern unheimlich viele Rezepte. Da gibt es Krebspasteten, Krebsstrudeln. Oder Krebseuter – das sind Kroketten.“ An erster Stelle sei die Krebssuppe gestanden. Aber auch Schöberl, Gugelhupf, Krebstorte und Krebswuchteln kamen auf den Tisch. „Dann gibt es auch eine gefüllte Kalbsbrust mit Spargel, Krebsen und grünen Erbsen.“

Haslinger berät Jürgen Gschwendtner, den Küchenmeister des Wiener Lokals Meissl & Schadn. Dort setzt man einerseits stark auf die Zugkraft des Schnitzels, widmet sich andererseits auch – oft vergessenen Klassikern – der Wiener Küche. „Wir sind nicht gezwungen, mit Gewalt innovativ zu sein“, schärft sie dem Küchenmeister ein. „In den alten Kochbüchern gibt es so viele tolle Rezepte.“ Gschwendtner hat sich bei den alten Nachschlagewerken bedient und drei Speisen kreiert. Die Rezepte stellt er der freizeit zur Verfügung.

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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