Wie ein Nackerter und der Froschkönig ins Café Landtmann kamen
Eine Wiener Kaffeehaus-Institution wird 150 Jahre alt. Im Café Landtmann sind „eh alle“ Und das bringt lustige Geschichten mit sich.
Jö schau. 49 Jahre, bevor Georg Danzer den Nackerten im Hawelka besang, machte es sich ein Mann im Adamskostüm im Café Landtmann gemütlich. Jessas na! Die Arbeiterzeitung berichtete am 30. September 1924, dass „ein bis auf Socken und Halbschuhe völlig nackter, junger Mann“ einen schwarzen Kaffee bestellt habe. Die Gäste waren entsetzt, Frauen flohen aus dem Lokal, ein Mädchen „bekam einen hysterischen Weinkrampf“. Der Exhibitionist ließ sich nicht hinauskomplimentieren. Erst als die Polizei anrückte, flitzte er davon. Die Beamten schnappten ihn später.
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Das Café Landtmann schreibt viele Geschichten und Anekdötchen. Immerhin feiert die Institution am 1. Oktober ihr 150-jähriges Jubiläum. Gegründet hat den Betrieb Franz Landtmann, der nach nur sieben Jahren wieder verkaufte, um auf der Franzensfeste in Südtirol das beste Lokal der Südbahn zu eröffnen.
Rund ein Drittel der Ära, 47 Jahre, führt das Landtmann die Familie Querfeld. Ernst und Anita Querfeld nahmen im Frühling 1976 – in der Zeit des Kaffeehaussterbens – die Herausforderung an. Sohn Berndt ist heute Chef – und erzählt diese Geschichte besonders gerne. „Diese ist kabarettreif, da schmunzeln wir heute noch“, kündigt er an und holt für die Erzählung Luft: Eine gepflegte Dame suchte am Zeitungsständer den KURIER – doch der war vergriffen. Daher beschwerte sie sich beim Ober Erich, dass es zu wenig von der Zeitung ihrer Wahl gäbe. Der verwies sie lakonisch an den Chef. „Mein Vater saß mit Block und Kugelschreiber im Café und arbeitete. Der Herr Erich sagte: ,Herr Chef, die Dame kommt wegen der Zeitungen.‘ Und mein Vater begann ein Vorstellungsgespräch.“
Denn das Landtmann hatte am Vortag im KURIER ein Stelleninserat für eine Reinigungskraft aufgegeben. „Mein Vater wollte, dass sie Name, Adresse und Geburtsdatum aufschreibt. Name und Anschrift gab sie her, nur beim Geburtsdatum verweigerte sie.“ Der Chef gab sich damit zufrieden. „Und dann führen die ein 15-minütiges Gespräch aneinander vorbei.“ Als die Rede auf die zu wenigen Zeitungen fiel, wollte sich Herbert Querfeld von der Frau offenbar nicht belehren lassen und fragte: „Wollen Sie den Job oder nicht?“
Ein bisserl überqualifiziert
Dem Sohn passierte ähnliches. Er war auf der Suche nach einer Garderobiere und eine junge Frau kam zu ihm ins Büro. Er fragte sie nach ihrem Vorleben. Sie antwortete, sie habe gerade Jus fertigstudiert. Da fragte Querfeld: „Fühlen Sie sich da nicht überqualifiziert?“ Dabei wollte sie ihre Sponsionsfeier organisieren. Heute würde es so eine Stellenausschreibungsgeschichte aus Gründen der Digitalisierung gar nicht mehr geben. Wie auch eher groteske Gegebenheiten. „In den 1950ern wurde bei einem Bewerb die schönste Blondine gewählt. Danach gab es einen Korso über die Ringstraße, der beim Landtmann startete“, sagt Querfeld, der zum Jubiläum das Buch „Café Landtmann – Wo Wien zu Hause ist“ (erschienen beim Brandstätter Verlag) herausgegeben hat.
Natürlich gibt es auch Anekdoten über Prominente. Etwa als Magda Schneider eines Tages mit der kleinen Romy im Arm ins Landtmann kam. Als sie kurz darauf wieder wegmusste, legte sie ihrem Mann, dem Burgschauspieler Wolf Albach-Retty, die Tochter in den Arm. Dann wurde er zu einer Probe ins Burgtheater gerufen. Er legte das Baby Romy dem Cafetier Zauner in den Arm: „Nur ganz kurz ...“, sagte er und verschwand. Natürlich waren Felix Salten, Friedrich Torberg oder Sigmund Freud zu Gast. Auch Max Reinhard, Paula Wessely und Oskar Werner kamen vor oder nach ihren Auftritten in der Burg vorbei.
Aber man legt nicht unbedingt großen Wert darauf, damit hausieren zu gehen. „Wir haben keinen roten Teppich. Eine Kamera gab es – bis die Smartphones kamen – nie. Wir haben unser goldenes Gästebuch und wenn es die Situation erlaubt, bitten wir besondere Gäste um eine Widmung“, sagt Querfeld und schießt eine Begebenheit nach, die so typisch für das Verständnis ist. Eines frischen Herbsttages suchte der damalige Bürgermeister Michael Häupl einen Tisch, fand aber keinen. Das Lokal war voll. „Es war draußen eiskalt, der Bürgermeister trank den Kaffee im Freien. Es wird wenige Lokale in Wien geben, wo der Stadtchef keinen Platz bekommt.“
Aber gerade die Distanz mache das Landtmann aus. „Manchmal werde ich gefragt: Wer ist da? Dann sag ich: Eh alle. Und wer ist alle? Bei uns trifft sich ganz Wien und die Welt.“
Berg- und Froschkönig
Bekannt war das Landtmann ab Mitte der 1970er auch für Pressekonferenzen. Die bürgerlichen und linken Flügeln der sich neu konstituierenden Grünen haben hier mangels Parteibüros laut Querfeld „abwechselnd beinahe jeden Tag“ referiert. Ein gefallener „Bergkönig“ legte hier tränenreich ein Geständnis ab. Radrennfahrer Bernhard Kohl machte nach seinem Doping reinen Tisch.
Auch der „Froschkönig“ hielt eine Pressekonferenz ab. Unter dem Namen war das Biedermeier-Zimmer belegt. Querfelds Aufmerksamkeit erregte das nicht. Erst, als viele Sicherheitskräfte im Kaffeehaus herumschwirrten. Als die Veranstaltung vorüber war, fragte Querfeld seinen Kellner: „Wer war das?“ – „Prinz Philip“, antwortete dieser in aller Unschuld. Tatsächlich war der Duke of Edinburgh als Schirmherr des WWF gekommen. Der Chef war erstaunt. „Das glaube ich nicht. Wie kann das passieren, dass mich da niemand ruft?“
Ein anderes Mal gab es eine Reservierung für die US-amerikanische Botschaft. Auch das wirkte nicht besonders. Doch als Querfeld zum Landtmann kam, stand dort viel Polizei. „Jetzt haben die einen erschossen, hab ich mir gedacht.“ Dazu sei der Handy-Akku ausgefallen. Drinnen gab es keine Toten, Hillary Clinton wollte mit Tochter Chelsea samt Entourage im Löwel-Zimmer Mehlspeisen verkosten. Auch ohne Mord war es aufregend. „Das Spannende war, dass dieser Besuch von wenigen Personen das gesamte Landtmann aus dem Rhythmus brachte.“ Der halbe Gastgarten war mit Sicherheitskräften besetzt. „Die haben alle untypisch konsumiert. Und wollten womöglich gleich zahlen. Da konnte das Service nur wanken.“
Rezept aus dem Landtmann: Marmorguglhupf
10 Portionen
Zutaten:
40 g Butter
220 g „Wiener Puderzucker“
150 g Eigelb
10 g Vanillinzucker
1/2 Stk. Schale einer Zitrone
230 g Eiweiß
220 g Feinkristallzucker
10 g Kakaopulver De Zaan
30 g Wasser
270 g Weizenmehl (480 glatt)
- Butter, den Puderzucker, Vanillezucker und Schale von Zitrone schaumig rühren
- Eigelb nach und nach unterrühren
- Eiweiß mit Feinkristallzucker schaumig schlagen, Mehl unter Buttermasse heben und Eischnee unterziehen
- Kakaopulver mit Wasser glatt rühren und 1/3 der Masse damit einfärben
- Hälfte der weißen Masse in gefettete und bemehlte Guglhupfform füllen
- danach die braune Masse, zum Schluss mit weißer Masse abschließen, 170 °C 45 Minuten backen
- aus der Form stürzen, den ausgekühlten Guglhupf mit Staubzucker bestreuen
Gewinnspiel
Die freizeit verlost mit dem Landtmann drei Jubiläumspakete mit dem Buch „Café Landtmann – Wo Wien zu Hause ist“, einer Flasche Jubiläumsprosecco und einem Jubiläumsguglhupf. Schicken Sie uns ein Bild Ihres schönsten Kaffee-Moments mit dem Betreff „Gewinnspiel“ an [email protected]. Einsendeschluss ist der 20. 9., 18 Uhr. Die Teilnehmer erklären sich damit einverstanden, dass die Fotos auf Plattformen des KURIER inkl. Social Media veröffentlicht werden. Die Gewinner werden schriftlich verständigt. Rechtsweg ausgeschlossen, Barablöse nicht möglich. Gilt nur für Verbraucher im Sinne des KSchG.
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