Unbekanntes Wien: Ein bisschen Alltagsgeschichten im Haweibad

Im wenig bekannten Hadersdorf-Weidlingauer Bad im Westen der Stadt rennt der Wiener Schmäh. Der Besuch ist immer auch eine kleine Zeitreise.

Wien hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Das ist gut so. Die ehemals graue Stadt am Ende der Welt kann heute ganz gut mit vergleichbaren europäischen Metropolen mithalten. Mit der Internationalisierung sind  etwa Hubertusmäntel aus dem Stadtbild gedrängt worden. Aber auch der herbe Wiener Schmäh, den man einst aus den kultigen Alltagsgeschichten - neben haufenweise unerfreulichen xenophoben Aussagen - österreichweit über die TV-Geräte ins Haus geliefert bekam, scheint zu verschwinden.

Doch ab und zu findet man ihn noch in gewissen Refugien. Wiener Freibäder wie das Gänsehäufel oder das Arbeiterstrandbad dürften ein guter Boden dafür sein. Auch das selbst für viele Wienerinnen und Wiener unbekannte Hadersdorfer-Weidlingauer Bad im 14. Bezirk dürfte noch so ein Hort sein. 

Holzpritschen, ein kleines Becken und eine Rutsche gibt es im Hadersdorf-Weidlingauer Bad, kurz Haweibad.

©Anna Perazzolo

"Welcher Jahrgang sind denn Sie?“, fragt der Kassier des "Haweibads", wie eingefleischte Fans die Anstalt nennen, einmal eine nicht so alte Frau. "Na, des geht sich nicht aus mit der Seniorenkarte“, sagt sie. Er: "Ich frag ja nur“. Sie: "Eh nett. Das passiert mir öfter, seit ich friedhofsblond bin.“

Das Penzinger Bad selbst macht um neun Uhr auf. Um keine Minute früher. Da können die Gäste, die immer mehr werden, noch so sehr Schlange stehen. "Immerhin samma do in Wien", beginnt im Kopf die geistige Stimme über die jahrhundertelang gepflegte Beamtenkultur zu schimpfen. Aber die Menschen hier nehmen das nicht so tragisch. Offenbar sind alle Stammgäste. Sie kennen das Prozedere und einander ohnehin. Ein oder zwei Plauscherl gehen sich aus. Auch mit dem Herren, der ein Bad-Mitarbeiter zu sein scheint und der der wartenden Menge durch den Zaun verkündet: "I bin heit ned im Dienst, i kaun nix mochn." Ob das nun ein Scherz ist oder nicht, werden wir nicht mehr erfahren. Er grinst - und wenig später ist er im Umkreis der Kassa zu sehen. Um neun Uhr (oder etwas danach) öffnen sich die Pforten. Viele der Wartenden schnappen sich ihre angestammten Liegen oder Holzpritschen am Beckenrand. 

Aber nicht nur deshalb ist das Haweibad im äußersten Westen der Stadt ein kleines Juwel. Wie auf Hawaii geht es in der kleinen Badeanstalt äußerst entspannt zu. Jene, die sich vorher in der Warteschlange gegrüßt haben, treffen im Becken wieder aufeinander und ziehen plaudernd und gemächlich ihrer Bahnen durchs Becken. Wer ungestört und schnell kraulen will, sollte früh kommen und aufs Tempo drücken. Sonst geht sich das nicht mehr aus.

Das 25-Meter-Becken ist nicht wirklich groß und auch wenn das Bad nicht allzu bekannt ist, so richtig leer ist der Pool nicht. Runter vom Gas, hier regiert ohnehin die Gemütlichkeit! Sitzkreise voll von Stammgästen bilden sich auf den Wiesen, deren Liegefläche nicht einmal 4.000 Quadratmeter groß ist. 

Holzpritschen, ein kleines Becken und eine Rutsche gibt es im Hadersdorf-Weidlingauer Bad, kurz Haweibad.

©Stadt Wien

Wer es - im Rahmen der Möglichkeiten - rasanter mag: eine rote Rutsche gibt es auch. Sie nehmen vor allem die vielen Kinder, die hier sind, in Beschlag. Das war's schon wieder mit aufregenden Dingen. Herrlich. Außer, wenn ein älterer Herr nach der Jause sein beeindruckendes Taschenfeitel unterm Wasserstrahl der Becken in den Toiletten reinigt und leicht wankend wieder ins Freie geht. Lieber einen Sprung zu Seite machen - ein Sprung ins Becken ist nämlich untersagt.

Spaß am Buffet

Ein Buffet gibt es natürlich auch. Vieles ist selbstgemacht, die Bestellung kann manchmal tückisch sein. Oder lustig. Oder beides zugleich. Oder wie es Katharina Salzer einmal in einer KURIER-Kolumne beschrieben hat: "Man kann oder muss über ein Display bestellen. So klar war das nicht . Der Marillenkuchen aus der Vitrine findet sich nicht auf dem Touchscreen. Macht nix. Es reicht Kaffee. Eingetippt und bezahlt. Ab zum Buffet mit der Rechnung in der Hand – in Erwartung, das Bestellte zu bekommen. Die Dame hinter der Budel schaut. Ah, man muss bestellen. "Ich hätt’ da zwei Kaffee am Dings eingetippt.“ Sie schaut. "Eine Melange, einen großen Braunen, bitte.“ "Gerne“, sagt sie und lässt den Kaffee herunter. Und weil in so einem Bad nicht viel zu tun ist, schauen die Badegäste zu. "Ha, des woa jetzt guat“, sagt ein Mann und lacht einen an." 

Sollte wer hier das ein oder andere Bier oder den ein oder anderen Spritzer zu viel erwischen, auch kein Problem. Das Bad ist öffentlich bestens angebunden. Wiewohl es sich hier überhaupt empfiehlt, das Auto daheim zu lassen. Eigene Bad-Parkplätze gibt es nicht. Und von Hütteldorf fahren ohnehin die Buslinien 450, 451 und 50 A bis zur Badgasse. Die S-Bahn-Linie S50 hält in Hadersdorf - von dort sind es nur drei Minuten zu Fuß zum Bad.

Info

Hadersdorf-Weidlingauer Bad:
Wien 14, Hauptstraße 41: Mo. bis Fr. 9-20 Uhr; Sa., So., Feiertage 8-20 Uhr;
Eintritt (Tageskarte): Erwachsene: 7 Euro, Nachmittagskarte ab 13 Uhr: 5,50 Euro, Nachmittagskarte ab 16 Uhr: 4,20 Euro, Jugendliche: 3,90 Euro, Kinder: 2,40 Euro, Kleinkinder: gratis, Familienkarte (1 Erwachsene*r und 1 Kind): 8,30 Euro

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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