Hauptdarsteller Adam Driver (li.) und Regisseur Noah Baumbach

Venedig eröffnet mit "White Noise“ – und Adam Driver sagt: „Ich esse Kartoffelsalat“

Vielversprechender Start der Filmfestspielen in Venedig mit Noah Baumbachs Verfilmung von Don DeLillos „White Noise“

Das rote „N“ für Netflix flammte selbstbewusst auf der Kinoleinwand auf – und eröffnete eindrucksvoll das 79. Filmfestival von Venedig. Noah Baumbachs düster-ironische Verfilmung von Don DeLillos Kultroman „White Noise“ machte den Anfang von insgesamt 23 Filmen, die heuer im Wettbewerb um den Goldenen Löwen antreten.

Der erste Löwe wurde allerdings gleich zu Beginn vergeben: Er ging an die verdiente, französische Schauspielerin Catherine Deneuve, die im Rahmen der Eröffnungsgala den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk erhielt. Aber auch der US-Regisseur Noah Baumbach brachte ausreichend Glamour mit auf den Roten Teppich. Er wurde von seinen Darstellern und Darstellerinnen an den Lido begleitet: Von Adam Driver und der exzellenten Greta Gerwig, Schauspielerin, Regisseurin – sie verfilmte die mit Spannung erwartete Komödie „Barbie“ – und Baumbachs Partnerin.

Baumbach selbst zählt zu Venedigs Lieblingsgästen. Zuletzt brach er 2019 mit seiner umwerfenden Trennungsgeschichte „Marriage Story“ die Herzen des Festivalpublikums – übrigens ebenfalls mit Adam Driver in der Hauptrolle. Berühmt für seine radikal persönlichen Filme, die sehr oft semi-autobiografisch inspiriert sind, adaptierte Baumbach mit „White Noise“ nun erstmals formidabel einen fremden Erzählstoff.

„White Noise“ erschien 1985, brachte Don DeLillo den großen Durchbruch und gilt als Paradebeispiel für postmoderne Literatur.

Hitler-Studien

Im Zentrum steht ein gewisser Jack Gladney, der an einem liberalen US-College als großer Spezialist für Hitler-Studien gilt. Adam Driver nimmt Deutschstunden und übt Sätze wie „Ich esse Kartoffelsalat“. Er und seine Frau Babette führen mit ihren vier Kindern ein temperamentvolles Familienleben, werden allerdings von unterschwelliger Todesangst gequält. Als es zu einem chemischen Unfall kommt und eine riesige Giftwolke die Luft verseucht, verdichten sich die diffusen Ängste zu handfestem Terror. Jack glaubt, vergiftet worden zu sein, während Babette ihre Todesängste mit Medikamenten bekämpft.

Obwohl „White Noise“ sichtlich in den 80er-Jahren angesiedelt ist, schafft Baumbach eine   Atmosphäre der allgegenwärtigen Bedrohung, die nahtlos an unsere krisengeschüttelte, pandemische Gegenwart anschließen kann.  Die Familie  befindet sich in einem permanent fiebrigen – manchmal auch schwarz-humorig unterfütterten –   Zustand zwischen   Aufruhr und Selbstbeschwichtigung,   Angst und Verleugnung, Horror und Hedonismus.  Am Ende  liefern auch noch Lars Eidinger und Barbara Sukowa (als Nonne!) sehenswerte Aufritte. Ein fulminanter Festivalauftakt.

 

Alexandra Seibel

Über Alexandra Seibel

Alexandra Seibel schreibt über Film, wenn sie nicht gerade im Kino sitzt.

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