Tom Jones im Wiener Konzerthaus: In Würde gealtert
Der 82-jährige Sänger hat sich geschickt vom Sexsymbol- und "Tiger"-Image gelöst und zu einem nachdenklichen Barden gewandelt
Im zweiten Drittel seiner Show im Wiener Konzerthaus singt Tom Jones: „Ich hatte keine Wahl, ich wurde mit dem Geschenk einer goldenen Stimme geboren“.
Für diese Zeile aus „Tower Of Song“, einem Song von Leonard Cohen, bekommt der 82-Jährige Sonderapplaus. Denn sie definiert das, was den einst als Sexsymbol mit dem Spitznamen „Tiger“ (wegen der röhrenden Stimme) geltenden Briten, heute ausmacht: Er steht auch in diesem hohen Alter noch auf der Bühne, weil er einfach muss. Später formuliert Jones das zwischen zwei Songs anders: „Ohne euch gibt es kein mich. Ich mag es gar nicht mir selbst etwas vorzusingen.“
Natürlich hat das Alter Spuren hinterlassen. Jones bewegt sich heutzutage auf der Bühne weit weniger. Im Konzerthaus steht er die meiste Zeit in der Mitte der Bühne, setzt sich hin und wieder auf eine Barhocker, was er humorvoll kommentiert. Was aber immer noch fast ungebrochen perfekt wie zu Beginn seiner Karriere funktioniert ist diese röhrende Powerstimme mit dem unverwechselbaren Timbre.
Ja, es gelingen ihm zu Beginn des Konzertes einige wenige Töne schlechter, als früher. Aber das gibt sich mit Fortdauer der Show, so als würde Jones’ Vokalorgan später als geplant genug aufgewärmt sein. Und bei seinen Welthits „Green Green Grass Of Home“, „Delilah“ und „Sex Bomb“ merkt man ihm und der Stimme das Alte kaum an.
Das Programm im Konzerthaus zeigt aber auch, wie geschickt Jones die Transformation vom jungen dynamischen Frauenliebling zum alten Barden gesteuert hat: Vor allem mit dem jüngsten Album „Surrounded By Time“ hat er sich Songs ins Repertoire geholt, die sich nicht mit den Freuden der Liebe, sondern mit dem Altern, mit Veränderungen im Leben, wehmütiger Rückschau und Manifesten für den letzten Weg beschäftigen. Viele davon singt er im Konzerthaus. Und obwohl Jones Songs fast nie selbst geschrieben hat passen Titel wie „I’m Growing Old“, „Talking Reality Television Blues“ und „Lazarus Man“ perfekt zu ihm. Sie geben ihm mit häufigen erzählerischen Passagen außerdem eine Atempause, wenn er davor die Stimme ausgepowert hat. Und sie bringen mit spannenden Arrangements, mit schwebenden, fast sakralen Keyboards oder fließenden, jazzigen Improvisationen Abwechslung in den Pop-Sound, mit dem Jones berühmt wurde.
Trotzdem ist das bis ins zweite Drittel der Konzerthaus-Show "nur" solides Handwerk. Erst danach wird es richtig prickelnd und lebendig und somit mitreißend. Das ist aber früh genug, um alle im Saal zustimmend jubeln zu lassen, als Jones am Ende verkündet, dass er vorhat, noch viele Mal mehr auf Tour zu gehen und nach Wien zu kommen. Gut so: Mit diesem Repertoire und der immer noch fast perfekten „Tiger“-Stimme, ist er in Würde gealtert. So, dass man sich gerne wieder ein Konzert anschaut, wenn es die Gelegenheit gibt.
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