Theaterkritik

Super Bowl LVI als moderne Bühneninszenierung

Königsdrama in Schwarzweiß mit Zebras und Gartenzwerg

Es begann damit, dass eine Frau im Gummikleid laut jodelte. Danach kam eine Frau im blauen Kleid und jodelte noch lauter. Es klang, als hätte sie üble Bauchschmerzen. Danach flogen fünf Flugzeuge über die Bühne – möglicherweise waren das Zuschauer auf der Flucht.

Anschließend betrat ein Mann mit Glatze und vielen Muskeln die Bühne und brüllte um Hilfe. Die Flugzeuge kamen dennoch nicht zurück. Der Mann – er wurde „The Rock“ genannt – sah so aus, als würde er gerne in Hollywoodfilmen mitspielen, hätte mangels Talents aber keine Chance.

Super Bowl LVI, dargeboten in einem übergroßen Theater in Los Angeles, war eine moderne Inszenierung, wie man sie derzeit oft sieht: Eine Mischung aus Oper, Tanz, Shakespeare-Drama und Regietheater. Dazu gab es eine Parallelhandlung in einem Fernsehstudio. Einer der Kommentatoren rief: „Jetzt kann Armin Wolf schlafen gehen.“ Ebenfalls im Studio anwesend: Ein Gartenzwerg, der wohl das Leben schlechthin symbolisierte. Der Zwerg sagte nichts und war vielleicht der beste Darsteller des Abends.

Danach wurde vier Stunden lang gerauft.

Heiliger Ball

Die Handlung war bewusst einfach gehalten, ein Königsdrama, umgesetzt mit den Mitteln des Bewegungstheaters. Ein weißer und ein schwarzer König, unterstützt durch ihre Armeen (eine Anspielung auf Schach?) versuchten, einen heiligen, entfernt ballähnlichen Gegenstand in den Tempelbezirk des Gegners zu bringen und die Macht an sich zu reißen.

Die Inszenierung hatte etwas Zoologisches an sich: Der weiße König war ein Bock, der schwarze ein Tiger. Eine Gruppe von Priestern, verkleidet als Zebras, mischten sich in die Handlung ein, indem sie gelbe Tücher warfen und damit das Schlachtenglück beeinflussten.

Abwechselnd wurde der heile Ball geworfen, getragen oder sogar getreten, was er sich widerspruchslos gefallen ließ. Das Schlachtenglück wendete sich mehrmals, zuerst gewannen die Weißen die Oberhand, dann die Schwarzen, gegen Ende schienen beide gleich stark.

Der wichtigste Soldat der Weißen wurde schwer verwundet, aber auch die Könige erlitten Verletzungen. Ein schwarzer Soldat versuchte, den Kopf eines Gegners abzureißen, was ihm misslang, weshalb er stattdessen den Ball durch die Gegend trug.

Verstopfung

Am besten kam beim Publikum das Programm zur Pause an: Eine kleine Stadt wurde aufgebaut, in der fünf Herren und eine Dame ein Singspiel vortrugen. Die Frau schrie sehr laut und wand sich, vermutlich hatte sie Verstopfung, die Herren sprachen sehr schnell in ihre Mikrofone, während alte Männer in Kartonschachteln tanzten und jemand ein Klavier misshandelte. Eine verstörende, aber dennoch packende Inszenierung.

Im letzten Akt wurde es dramatisch: Die Weißen belagerten den Tempelbezirk der Schwarzen und schafften es mit Hilfe der Zebrapriester tatsächlich, diesen zu erobern. Ganz zum Schluss wurde der schwarze König zu Boden gerissen, worauf es Konfetti regnete und alle weinten, nur der Gartenzwerg nicht.

Fazit: Ein faszinierendes, wenn auch textarmes und schwer verständliches Stück. Angeblich bald auf Europa-Tournee.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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