Neues Album von Bilderbuch: Easy Listening in schweren Zeiten
Die wichtigste Popband Österreichs liefert „Gelb ist das Feld“, und man hätte eigentlich gar nicht so genau wissen wollen, wie es uns allen geht.
Wer sich gerne daran erinnern will, wie wir mal waren, und wissen will, wie wir jetzt sind, der muss sich nur zwei Bilderbuch-Alben anhören.
Das ist eine überaus zeiteffiziente Art der Bestandsaufnahme, die aber natürlich nicht gefahrlos ist: Sie löst, etwa, Herzweh aus nach jener sorglosen, ja lächerlichen Selbstgewissheit, mit der man vor sechs, sieben Jahren das Leben für im Prinzip unter Kontrolle eingebucht hatte.
Woraufhin sich Freiräume auftaten, die man damit füllen konnte, sich im Netzleiberl auf große Popbühnen zu stellen und die mutigste (auch mit Mut zum Hit!) heimische Popmusik seit vielen Jahren zu spielen. Und nebenbei an so wichtige Dinge wie Sexyness, Freiheit oder auch Scheißdrauf zu erinnern.
Bilderbuch zu Zeiten des „Schick Schock“ (2015), das war Spätkapitalismus von seiner besten Seite.
Und nun (also genauer: ab morgen) „Gelb ist das Feld“.
Der neue Longplayer der wichtigsten heimischen Popband ist der Soundtrack zur großen Resignation, die Begleitmusik zu den Umständen, die da draußen halt so sind wie sie sind. Nicht, weil es um Pandemie und Krieg und sonstige Missvergnügen der 2020er geht.
Sondern weil Bilderbuch sich und ihre erotisch aufgeladenen Tontentakel, mit denen sie einst an den richtigen Stellen auf die richtige Art und Weise umgerührt hatten, zurückgezogen haben. Weg von all diesem Missvergnügen in einen innen zwar bunt bemalten, aber halt zugesperrten Bungalow zum Easy Listening in schweren Zeiten.
Hygge Schock
Es ist natürlich eigentlich ein Witz, aber der immer noch cool raunzende Maurice Ernst und seine tollen Mannen geben sich dem Hygge Schock hin, der neuen Häuslichkeit, wie man sie von den Lifestyle-Seiten kennt: „Gelb ist das Feld“ ist schick auf biedermeierliche Indie-Art.
Denn da draußen, an all diesen Extrempositionen? Da waren wir doch schon, sorry, ist durch.
Stattdessen gibt es emotional ungefährliche, natürlich mit Lässigkeit unterfütterte Musik, die auch – man kennt das schon seit „Magic Life“ – mal ziellos vor sich hinnudeln darf. Musik, vor der sich auch der Rest der Familie nicht schreckt. Mit Schrummelgitarren, Orgelklängen und softem Beat. Schalala, wird an entscheidender Stelle gesungen. Und an anderer: „Diese welt ist in a change/schuscha schuscha schuscha“.
Und ja, einerseits braucht die wundgeriebene Popmusikhörerseele genau das: Einen sicheren Hafen für uns alle, die wir vor kurzem noch beim Frequency Festival mit Bilderbuch Hochschaubahn gefahren sind und uns dann von all dem Zeug da draußen die Schneid’ und die Jugend abkaufen lassen mussten. Her mit eurem Pivot zur neuen Innerlichkeit, schließlich sind wir jetzt eh alle Pandemiebrot-Bäcker und Lange-Beziehungs-Menschen.
Aber andererseits: Man wäre froh, wenn man diese Dosis an Realität nicht unbedingt von Bilderbuch serviert bekäme. Geh nicht gelassen in die gute Nacht, glüh’, rase Alter, weil dein Tag vergeht: Dieses Versprechen von Dylan Thomas hätte man gerne noch einmal mit jenen eingelöst, die dieses Glühen feierten wie keine anderen. Oder mit ihnen zumindest noch ein wenig länger daran geglaubt, dass das neue Normale nicht nur freudlos ist.
Heiß und kalt
Es ist eine verständliche Neuerfindung – wie lange kann man schließlich so cool sein, ohne an Unterkühlung zu leiden, und dazu gleichzeitig noch so heiß, ohne dass jemand fragt, ob man Corona hat? Jetzt gibt es statt wildem Freiheitszeugs tiefenentspannt viele Stimmungen (14 Songs!), die andere genauso gut können.
Ja, das hört man im Prinzip gern, aber nur mit anschwellender Nostalgie, und Nostalgie ist immer, immer falsch.
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