Sex, Rausch und Legenden: Die verruchtesten Nachtclubs
In der Volksoper hat der Kit Kat Club mit ausschweifenden Nächten aus dem Musical Cabaret geöffnet. Welche wilden Lokale real sind.
"Willkommen! Bienvenue! Welcome!" Hereinspaziert in das Reich der gepflegten Unterhaltung, des Lasters, der Ausschweifungen, des Rausches und des Rauchs! Hereinspaziert in den legendären Kit Kat Club, in dem aufreizende Tänzerinnen im Berlin der 30er für Furore sorgen, während die Nationalsozialisten nach der Macht greifen. Es ist auch der Tanz auf dem Vulkan, von dem das Musical Cabaret erzählt, das gerade in der Wiener Volksoper - begleitet von fulminanten Kritiken - gespielt wird.
Aber nicht nur in fiktiven Etablissements geht es verrucht zu. Die freizeit erzählt Geschichten legendärer Nachtclubs. Sie handeln von Exzess und Glamour, aber auch von Abstürzen oder Verbrechen. Keine Geschichten gibt es hier vom Moulin Rouge, vom Studio 54 oder vom Berghain. Nicht, dass die nicht wild gewesen wären (oder noch sind), aber deren Legenden kennt man ohnehin schon. Oder?
KitKatClub in Berlin
Seinen Namen hat er aus dem Musical Cabaret, die Musik ist nicht revueartig, es dominiert die Bassdrum. Den KitkatClub in Berlin-Mitte gibt es seit 1994. Laut Selbstbeschreibung ist das "Ganze ... eine exquisite Mischung aus Technoclub & Fetish-Event, 'Perversion auf Weltniveau' ist das Ziel!"
Erlaubt und erwünscht ist dort fast alles. Auch kleidungstechnisch - so es zu den Themenabenden passt. Mit Alltagskleidung wird man aber auf jeden Fall nicht mitfeiern können. Seit beinahe drei Dekaden ist dort selbstverständlich, was sich in den vergangenen Jahren auf viele Clubs weltweit ausgebreitet hat: Sexpositive Partys, wo man auf der Tanzfläche nicht nur tanzt. Aber im Kitkat geht es eben noch weiter. Die Besucher können sich auch auf Schaukeln oder auf einem gynäkologischen Stuhl einfinden. Mitbegründet hat den KitkatClub der Österreicher Simon Thaur. Aufgewachsen in der Provinz hat er sich später nach mehr gesehnt. "In meiner Jugend waren die da so spießig, dass alles, was ein bisschen freakig war, sofort aussortiert wurde", erzählte er einmal dem Tagesspiegel.
Vor Corona machte der Club Schlagzeilen, weil er - wie einige andere auch - wegen der Gentrifizierung von der Schließung bedroht worden war - Investoren wollten den wertvollen Grund haben. Und während der Epidemie konnte man sich hier testen lassen. Später gab es Pilotversuch-Partys mit strengen Corona-Regeln.
Eldorado, Berlin
"Millionen von unterernährten, korrumpierten, verzweifelt geilen, wütend vergnügungssüchtigen Männern und Frauen torkeln und taumeln dahin im Jazz-Delirium", kommentierte Klaus Mann einst das Berliner Nachtleben nach dem Ersten Weltkrieg, in das er sich auch gerne selbst schmiss. Eine Institution war das Eldorado, ein internationaler Touristenmagnet. Als "Transvestitenlokal" stand es im berühmten "Führer durch das lasterhafte Berlin". "Zwischen den Tänzen, bei denen auch der Normale sich den pikanten Genuss leisten kann, mit einem effeminierten Manne in Frauenkleidern zu tanzen, gibt es Brettldarbietungen. Eine männliche Chanteuse singt mit ihrem schrillen Sopran zweideutige Pariser Chansons", hieß es in dem Büchlein. Ab 1924 feierte man hier das Leben, die Lust, sich selbst und das Crossdressing. Schöne Damen-Imitatoren waren die Hauptattraktion allabendlicher Tanzveranstaltungen. Sie wurden mit Barkeeper „Daisy“ zu populären Markenzeichen des Eldorados. "In der Szene war das Eldorado durchaus umstritten: Homosexuelle würden hier vor einem heterosexuellen Publikum zur Schau gestellt", schrieb der Tagesspiegel einmal.
Wie schon dem legendären Moka Efti in "Babylon Berlin" hat man dem in "Eldorado KaDeWe" ein ARD-Seriendenkmal gesetzt und zeigt eine Stadt, die niemals schläft. Geruht haben einige damals wohl wirklich nicht - Kokain war der Treibstoff, der die Menschen durch die Nacht brachte. Wer kein Geld für das Amüsement hatte, konnte bei Bereitschaft, den eigenen Körper zu verkaufen mitmachen. Viele Lokale hatten extra Hinterzimmer für Gelegenheitsprostitution eingerichtet.
Plato`s Retreat, New York City
Das Manhattan der 70er und 80er war abgeranzt und gefährlich. Aber es war noch nicht so teuer, manchmal sehr kreativ und manchmal auch sehr ausschweifend, wie man vom Studio 54 weiß. Zur selben Zeit ließ man es aber an vielen Ecken und Enden krachen. Berühmt-berüchtigt war damals auch das Plato's Retreat, ein explizit heterosexueller Swingerclub. Gäste aus der ganzen Welt flogen ein, um den Keller des Ansonia Hotels in der Upper West Side zu besuchen. Hier gab es alles, was sich die Schar für einen Erwachsenenspielplatz wünschen konnte: Whirl- und Swimmingpools, eine Tanzfläche, Separees und den berühmt-berüchtigten Matratzenraum. Dort herrschten strenge Regeln: Dreier, Drogen und alkoholische Drinks waren nicht erlaubt.
Und wie sich das offenbar für amtliche Swingerclubs gehört: ein Buffet mit warmen und kalten Speisen gab es auch. 1985 war damit aber Schluss. Der Betreiber musste, wie beim Studio 54, wegen Steuervergehen in Haft. Der Reiz des Reizvollen war offenbar auch vorbei, das Publikum blieb aus. Außerdem kam es im Plato`s Retreat zusehends zu Verhaftungen wegen Prostitution. Und die explodierende AIDS-Krise trug ihr Übriges dazu bei.
The Mutiny, Miami
In den späten 70ern und 80ern, als die Männer in Florida bunte Sakkos, Haifischkragen-Hemden und keine Socken trugen, gab es in Miami ein Hotel mit inkludiertem Club, das das Studio 54 mitunter in den Schatten stellte. Das Mutiny. Allerdings zog das auch viele Typen an, mit denen man jetzt nicht unbedingt gemeinsam unbeschwert feiern will. Neben Promis wie Jackie Onassis gaben sich dort auch CIA-Informanten oder berüchtigte Drogenbosse ein Stelldichein. Die zeigten sich wiederum mit kaputten Stars wie Rick James, den sie leicht mit Kokain ködern konnten. Und das Mutiny diente auch als Vorbild für den Film Scarface.
Roben Farzad hat darüber das Buch "Hotel Scarface. Where Cocaine Cowboys Partied and Plotted to Control Miami" geschrieben. Vice hat er vor einigen Jahren erklärt: "Dealer warfen mit Geld um sich, um zu zeigen, dass sie massenweise davon hatten. Sie hatten unzählige Flaschen Dom Pérignon und Perrier-Jouët am Tisch. Zwei Oldschool-Dealer tranken immer Lafite Rothschild, den superteuren Wein aus der Zeit vor der kubanischen Revolution. Sie zahlten in bar, so 1.200 Dollar pro Flasche, und gaben dem Kellner noch mal 200 Dollar Trinkgeld." Und: "Das Protzigste, das sie tun konnten, war: ganze Kisten Dom Pérignon bestellen, alles in einen Whirlpool schütten und dann mit Groupies nackt reinspringen." Aber die Polizei hatte ein Auge auf das Geschehen und störte das illustre Treiben mit Razzien. Wegen des Drucks verkauften die Besitzer das Mutiny, das seither wieder etwas biederer ist.
Torture Garden, London
Es ist das Paradies für jene, die auf die härtere Tour stehen: Der Torture Garden in London, der größte Fetisch-Club der Welt für ein gemischtes Publikum aus Homos, Heteros, Drags, Paaren, Burlesques und mehr. Seit 1990 gibt es das Spektakel in der englischen Hauptstadt. Mittlerweile existieren Ableger auf der ganzen Welt. Einst als Untergrund-Veranstaltung gegründet, macht der Torture Garden mit Promis Schlagzeilen. Dita von Teese räkelte sich vor dem Publikum. Jean Paul Gaultier ließ sich sehen. Und es wirkt alles sehr durchgestylt, manchmal doch bemüht und aufgesetzt - viele Besucherinnen und Besucher lassen sich gerne in ihrer Latex-Montur oder mit Ledergeschirr ablichten. Aber immer noch gilt: Wer sich mit Straßenkleidung oder normalem Club-Outfit anstellt, kann den Abend gleich vergessen.
Cabaret de L'Enfer, Paris
Mitten im Pariser Zentrum der Sünde, Pigalle, stand einst ein wahres Höllenlokal. Das Cabaret de L'Enfer sah zumindest so aus. Wer in das 1892 eröffnete Lokal hineinwollte, musste direkt durch das Maul des Monsters Leviathan. Der Türsteher sah aus wie ein Teufel und versprach beim Eintreten Verdammnis. Drinnen im Höllenschlund war dann wohl eh schon vieles wurscht. In den Räumlichkeiten - Grotten aus menschlichen und unheimlichen Gestalten - warteten dann Aufführungen über finstere Themen. Zwar nicht um sich zu läutern, aber um eine Abwechslung zu suchen, gab es daneben übrigens gleich das Cabaret du Ciel - ein Lokal mit Fokus auf den Himmel. Seit 1950 sind beide in die die Ewigkeit eingegangen. Die Supermarktkette Monoprix hat seitdem hier eine Filiale.
Old Mrs. Henderson, München
Es ist noch nicht allzu lange her, da war München fortgehtechnisch eine der angesagtesten Städte der Welt. Viele, die Rang und Namen hatten, waren hier und auch des Nachts unterwegs. Giorgio Moroder, Mick Jagger oder David Bowie. Einer liebte es hier ganz besonders: Freddie Mercury. Eines seiner Lieblingslokale war der Travestie-Club Old Mrs. Henderson. Dort feierte er auch Geburtstag - den 39. oder 40. - da sind sich die Zeitzeugen nicht mehr so einig. Es mag wohl auch daran liegen, dass man es damals wirklich krachen ließ.
Auf jeden Fall, Mercury drehte dort das Musikvideo zu "Living on My Own". „Ich habe drei Tage nicht gewusst, wie ich nach Hause gekommen bin und wie lange die Party überhaupt ging“, sagte einer, der damals zu Mercurys Clique gehörte, der Welt. „Es war das schönste Fest, das München je erlebt hat.“
The Warehouse, Chicago
Die Anti-Disco-Bewegung mit ihrem Schlachtruf "Disco sucks!" war in den USA außer Kontrolle geraten. Mit dem ausgerufenen Tod von Disco 1979 gingen Homophobie und Rassismus gegenüber Afroamerikanern einher. Schwule Schwarze und Latinos suchten nach Safer Spaces, wo sie ungestört feiern konnten. Einer dieser Plätze, wo das ging, war "The Warehouse" in Chicago, das 1977 eröffnet hatte. Dort dauerten die Partys Tage, der Spaß und der Konsum waren groß.
Später kamen auch Heteros und Weiße dazu. Und dort zeigte sich auch, dass Disco nicht tot war, sondern nur seine Gestalt geänderte hatte. Der dortige Resident-DJ Frankie Knuckles und seine Mitstreiter legten über alte Disco-Samples den Sound elektronischer Drummachines und kreierten ein neues Genre: House.
Nicht verruchte Playboy-Clubs
Gerne bekamen auch die Playboy-Clubs der 60er aus dem Hause Hugh Hefner das Attribut verrucht umgehängt. Aber das war grundfalsch. Zwar sah Hefner die jungen hübschen Damen im knappen Body mit Puschelschwänzchen und Hasenohren als "Symbol einer wunderbaren Zeit von sozialer und sexueller Veränderung von sexueller Freiheit". Der Gründer, der unter anderem Frauen mit Drogen gefügig gemacht haben soll, achtete jedoch in den Playboy-Clubs auf strenge Sittsamkeit. Die "Bunnys" sollten ein reines Image haben. "Was Hefners Etablissements in den 60er Jahren so populär machte, war", schrieb der Spiegel schon in den 80ern, dass "sie ihrer zumeist gar nicht so freizügigen männlichen Klientel das anregend-aufregende Gefühl vermittelten, die verruchte sexuelle Revolution ganz aus der Nähe miterleben zu dürfen - ohne sie mitmachen zu müssen".
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