Astronauten platzieren auf den kargen Boden Ausrüstung. So sah es ein künstlerisches Konzept

Menschen in 50 Jahren auf dem Mars? "Das ist sehr realistisch"

Der ehemalige NASA-Chefwissenschaftler James L. Green über Herausforderungen bei Reisen zum Mars und was er von Elon Musks Plänen hält.

James L. Green arbeitete 40 Jahre lang bei der NASA. Er war über viele Jahre hinweg Leiter des planetarischen Programms der US-Raumfahrtbehörde. Im Jahr 2018 übernahm er die Position des Chefwissenschaftlers, die er bis zu seinem Ruhestand, 2022, innehatte. 

Während seiner Karriere hatte Green die Leitung von über einem Dutzend Missionen – unter anderem für die Sonde New Horizons zum Pluto oder die Sonde Messenger zum Merkur. Er hat am neuen Bildband "Mars", der beim Taschen Verlag erschienen ist, mitgearbeitet.

Mit der freizeit spricht er darüber, warum die Menschen zum Mars fliegen sollen. Außerdem verrät Green, was er davon hält, dass Elon Musk noch vor der NASA Menschen zum Mars bringen will.

Wie realistisch ist es, dass es in den nächsten 50 Jahren eine bemannte Marsmission geben wird? 

James L. Green: Das ist sehr realistisch. Die NASA arbeitet seit Jahrzehnten intensiv daran, den Mars zu erforschen – zunächst mit robotischen Missionen, bevor Menschen entsendet werden. Bisher gab es etwa 50 Missionen zum Mars, von denen die NASA rund die Hälfte durchgeführt hat. Dabei haben wir enorm viel über den Planeten gelernt. Dieses Wissen ist essenziell, bevor wir Menschen dorthin schicken. Vielleicht sind wir in zehn Jahren so weit, dass wir alle nötigen Daten gesammelt haben, um zu wissen, wie wir Menschen sicher hin und zurückzubringen.

Was wird besonders wichtig für Astronauten am Mars sein?

Eine zentrale Herausforderung wird es sein, vor Ort Nahrung anzubauen. Der Film "Der Marsianer" hat das sehr anschaulich gezeigt, und tatsächlich ist es möglich: Der Marsboden enthält die nötigen Nährstoffe, und er lässt sich befeuchten. Allerdings gibt es ein Problem – die extrem niedrigen Temperaturen. Doch in Höhlen oder bestimmten Breitengraden könnten die Bedingungen moderater sein. Es wird entscheidend sein, solche geeigneten Regionen zu finden.

Ein Bild vom ehemaligen NASA-Chefforscher James L. Green. Er trägt ein Hemd, Krawatte, einen Bart und Brille.

Der Physiker James L. Green hat 40 Jahre für die NASA gearbeitet.

©ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com

Wie stellt man sicher, dass Astronauten die lange Reise überleben?

Ein großes Problem ist die kosmische Strahlung, die die DNA der Astronauten schädigen kann. Es gibt inzwischen medizinische Verfahren, die solche Schäden teilweise reparieren können. Hinzu kommen psychologische Herausforderungen: Die Isolation und die Entfernung von der Familie können belastend sein. Selbst wenn man sich gut mit den Kollegen versteht, kann die Situation nach acht Monaten Reise deprimierend werden. Derzeit arbeiten wir an Methoden, um solche Depressionen zu verhindern. Virtual-Reality-Technologien könnten hier eine wichtige Rolle spielen: Mit einer VR-Brille könnten Astronauten beispielsweise einen vertrauten Raum simulieren und dort ein Buch lesen.

Stellen Sie sich vor, ein "Marsmensch" würde in der Sahara landen und dort Proben nehmen. Er würde nur Sand finden und wäre enttäuscht, weil er nicht die richtigen Orte untersucht.

James L. Green Ex-Chefwissenschaftler NASA

Warum sollten Menschen überhaupt zum Mars fliegen?

Seit Langem suchen wir nach Leben jenseits der Erde, bisher ohne Erfolg. Doch an vielen Orten – und der Mars ist einer davon – gibt es Hinweise darauf, dass es einst Leben gegeben haben könnte. Vielleicht existiert heute noch Leben unter der Oberfläche? Diese Frage können nur menschliche Entdecker endgültig beantworten.

Wie wichtig ist es, den Planeten vorab genau zu studieren?

Das ist entscheidend. Stellen Sie sich vor, ein "Marsmensch" würde in der Sahara landen und dort Proben nehmen. Er würde nur Sand finden und wäre enttäuscht, weil er nicht die richtigen Orte untersucht. Genauso ist es auf dem Mars: Wir müssen den Planeten genau kennen, um die aussichtsreichsten Regionen für unsere Forschungen zu identifizieren.

Was war das bisher Überraschendste für Sie?

Bei den ersten Vorbeiflügen in den 1960er-Jahren wirkte der Mars wie ein Mond – karg und eintönig. Doch später, aus dem Orbit, entdeckten wir seine Vielfalt: Sanddünen, ausgetrocknete Flussläufe, Spuren einer bewegten Vergangenheit. Der Mars war einst der Erde sehr ähnlich, und wir versuchen zu verstehen, warum er sich verändert hat.

Von der Idee zur Realisierung einer Expedition. Wie lange braucht das?

Mindestens zehn Jahre. An solchen Projekten arbeiten über 1.000 Menschen. Es ist eine enorme Herausforderung, aber wir wissen, wie es geht.

Elon Musk hat angekündigt, Menschen zum Mars bringen zu wollen. Noch vor der NASA. Wie bewerten Sie das?

Ich hoffe, er macht das. Aber er hat noch einen langen Weg vor sich. Musk war bisher weder auf dem Mars noch auf dem Mond – er hat noch viel Arbeit vor sich. In der Zwischenzeit wird die NASA weiterhin den Mars und den Mond erforschen.

Ist es gut, einen Mitstreiter zu haben?

Ich sehe ihn nicht als Mitstreiter, sondern als Partner. Anfang der 2000er-Jahre hat die NASA beschlossen, bestimmte Bereiche der Raumfahrt zu kommerzialisieren. Je mehr wir an private Unternehmen auslagern können, desto besser. Sie sollen mit Raketenstarts Geld verdienen, während wir uns auf die wirklich schwierigen Aufgaben konzentrieren. Die Hälfte aller Marsmissionen ist gescheitert – es ist extrem anspruchsvoll, den Planeten zu erreichen. Wir freuen uns, dieses Wissen mit Musk zu teilen. Aktuell konzentriert er sich jedoch auf andere Projekte.

Wie ist generell Ihre Meinung zum Weltraumtourismus?

Weltraumtourismus wird kommen. Je mehr kommerzielle Aktivitäten in diesem Bereich stattfinden, desto günstiger wird es werden. Ich bin überzeugt, dass wir das in naher Zukunft erleben werden.

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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