„Lost Leonardo"-Regisseur Koefoed: „Auch die Mona Lisa ist ein Hype“

Ist der "Salvator Mundi" von Da Vinci oder nicht? Regisseur Andreas Koefoed wollte mit der Doku „The Lost Leonardo“ die Wahrheit herausfinden.

Am 23. Dezember startet die Kunst-Doku „The Lost Leonardo“ im Kino. Wir sprachen mit dem Regisseur Andreas Koefoed über die polarisierende Geschichte des mit 450 Millionen Dollar teuersten Gemäldes der Welt.

Lassen Sie mich mit einer Frage beginnen, die Sie auch im Film stellen: Warum hat da Vincis „Salvator Mundi“ solch großen Aufruhr verursacht?

Weil es das teuerste Gemälde der Welt wurde, weil der Käufer nicht genannt wurde – und weil es so viele Fragen aufwirft. Sieht man sich die Geschichte des Gemäldes an, kann man nicht sicher sein, dass es ein da Vinci ist. Dieser Cocktail aus Zweifeln und Geheimnissen hat für derart viel Aufsehen gesorgt. Aber es liegt auch an der Person da Vinci selbst.

Wie meinen Sie das?

Der ganze Mythos, der um da Vinci gemacht wird. Es gibt da diese große Faszination, er wird als dieses Genie gefeiert, das Kunst und Wissenschaft kombiniert hat. Und es existieren nur sehr wenige Gemälde von ihm. Auch Dan Browns Bestseller „The Da Vinci Code“ hat wohl zu dieser Faszination beigetragen.

"The Lost Leonardo"-Regisseur Andreas Koefoed: "Die Wahrheit ist wegen Geld- und Machtinteressen zweitrangig geworden"

©Getty Images for ZFF/Andreas Rentz/Getty
Viele Experten bezweifeln, dass Leonardo der Schöpfer des Bildes ist. Dennoch wurde es das teuerste Gemälde aller Zeiten.

Ich denke, es liegt daran, dass einige der weltweit führenden Institutionen in der Kunstwelt die Zuschreibung an da Vinci unterstützt haben. Zuallererst die National Art Gallery in London. Sie hatte großes Interesse daran, weil sie 2011 diese große Da-Vinci-Ausstellung vorbereitete. Später das Auktionshaus Christie's, weil sie eine Menge Geld verdienen wollten. Auch Sotheby's war danach am Verkauf beteiligt. Vor allem aber glaubte Martin Kemp, der weltweit führende Experte, von Anfang an, dass es ein da Vinci ist. Das machte den Unterschied. Sein Wort hat viel Gewicht und sie haben ihn für ihre Zwecke benutzt.

Finden Sie das obszön? Einen Skandal?

Ich bin mir nicht sicher, ob wir es einen Skandal nennen können. Ich kann nicht behaupten, dass es kein da Vinci ist, niemand kann das mit Sicherheit sagen. Es ist umstritten. Aber es könnte sein, dass die Wahrheit wegen Geld- und Machtinteressen zweitrangig geworden ist. Für die großen Institutionen steht zu viel auf dem Spiel. Auch für Saudi-Arabien. Sie haben das Bild gekauft. Jetzt tun sie alles, damit das Bild weiterhin Leonardo zugeschrieben wird. Sie würden sonst wie Trottel dastehen.

War es schwierig, alle Beteiligten zu überzeugen, mit Ihnen zu sprechen?

Die meisten waren sogar ziemlich froh über das Gespräch. Es war vielleicht von Vorteil, dass ich aus Dänemark komme. Und dass ich kein Teil der Kunstwelt bin. Aber manche lehnten ein Gespräch auch ab. Von den fünf Experten, die der National Gallery über die Echtheit des Bildes Auskunft geben sollten, waren nur zwei bereit zu reden. Auch der Direktor der Gallery wollte nicht vor die Kamera. Ebenso wenig wie jemand vom Louvre. Wir hatten jemand von Christie’s, der sagte erst zu, dann aber wieder ab. Die Institutionen versuchen, etwas zu verbergen.

"Es war ein Spontankauf": Saudi-Prinz Mohammed bin Salman, mutmaßlicher Besitzer des "Salvator Mundi" 

©APA/AFP/BANDAR AL-JALOUD
Alles deutet darauf hin, dass Mohammed bin Salman, der Kronprinz von Saudi-Arabien, das Bild gekauft hat. Welche Interessen verfolgt er damit?

Wie ich aus guter Quelle weiß, hatte er anfangs keinen Masterplan dafür. Es war ein Spontankauf. Er hatte in Frankreich bereits das teuerste Haus der Welt gekauft, eine Art Mini-Versailles, dazu eine der teuersten Yachten der Welt. Und er wollte auch einen da Vinci besitzen. Also kaufte er einen. Ich glaube, er erkannte erst später das Potenzial dieses Bildes. Ihm wurde bewusst, wie etwa die Mona Lisa in Frankreich Millionen von Touristen anlockt. Es ist wie eine endlose Einnahmequelle, ein solches Gemälde zu besitzen. Das Bild würde für ihn eine Trophäe sein, wenn er es in Saudi-Arabien ausstellt. Ich nehme an, sie bauen dort zu diesem Zweck ein eigenes Museum. Der Kauf passt zum Vorhaben, ein anderes Image von Saudi-Arabien zu kreieren. Das Land soll nicht nur für Öl und Geld bekannt sein, sondern auch als Kulturnation. Das Witzige ist, dass das zu funktionieren scheint.

Das Getöse verdrängt die Kritik?

Ich finde es erstaunlich, wie Geld die Welt regiert. Man hat das auch gesehen, als Saudi-Arabien den englischen Fußballklub Newcastle United gekauft hat. Anfangs gab es viel Kritik. Mohammed bin Salman ist ein böser Führer, der die Menschenrechte nicht respektiert. Auch die Witwe des ermordeten Journalisten Jamal Kashoggi sprach sich gegen die Übernahme aus. Die Fans haben diese jedoch unterstützt, weil sie nun die besten Spieler kaufen und die Premier League gewinnen können. Es gibt stets ein kleines egoistisches Interesse, das die Ethik außer Kraft setzt.

 

Gut bewacht: eine (Museums-)Kopie des „Salvator Mundi“ 

©EPA/CIRO FUSCO
Geht es in der Kunstwelt nur ums Geld und nicht um die Kunst?

Mein Film zeigt nur einen Teil der Kunstwelt, eine extreme Ecke. In den vergangenen 20 Jahren hat das Interesse der Finanzwelt an ihr dramatisch zugenommen. Kunstwerke sind Investitionen geworden. Wichtig ist nicht so sehr deren Qualität, sondern ihre Wertsteigerung. Ich denke, das wird so bleiben.

Glauben Sie, dass die „Mona Lisa“ ebenfalls gehypt wird?

Auf jeden Fall (lacht). Es ist schwer für mich zu beurteilen, aber ich finde es seltsam, dass sie qualitativ hochwertiger sein soll als jedes andere Gemälde. Es geht definitiv um den Hype, das Narrativ rundherum und den Mythos.

Sogar das FBI und die CIA sind in all diese Dinge verwickelt.

Das liegt daran, dass Kunstwerke leicht zur Geldwäsche verwendet werden können. Es ist schwer festzustellen, ob eine kriminelle Handlung stattgefunden hat. Deshalb überwachen sie diese Welt.

Ist die Geschichte des „Salvator Mundi“ vor allem eine Geschichte über die Gier?

Nicht nur. Die meisten Menschen wollen an Märchen glauben. Wir sind fasziniert von der Idee, diesen Schatz zu finden, der in Vergessenheit geraten war und plötzlich wieder ans Tageslicht gelangt ist, gemalt vom größten Genie, das je gelebt hat. Wir wollen solche Geschichten glauben. Denn sie geben uns einen Sinn im Leben. Doch es gibt Menschen mit großer Macht und hohem Geldinteresse, die diese Tendenz in uns zu ihrem Vorteil erzeugen. Da müssen wir kritischer sein.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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