Künstler Eduard Angeli: "Mein Venedig ist unspektakulär"
Er gilt als Meister der Stille: Eduard Angeli schafft Bilder, die Klarheit ausstrahlen – kantige Mauern, verlassene Plätze, graue Fassaden. Selbst die Lagunenstadt stellt er in ungewöhnlichem Licht dar. Wie das kam und welche besondere Rolle das Licht spielt, verrät er im Interview
Deutlicher als in Eduard Angelis Bildern kann der Kontrast zur lebhaften Welt kaum sein. Werke, so klar und rein, dass deren Interpretationsspanne von magisch über kühl bis hin zu poetisch reicht. Die renommierte Fondazione Vedova widmet dem Künstler nun eine Ausstellung (bis Ende November), auch in Österreich sind Werke von Angeli ab Mai zu sehen – etwa in der Galerie Kovacek & Zetter in Wien und in der Stadtgalerie Klagenfurt. Im Gespräch skizziert der „Meister der Stille“, was ihn prägte und wie unterschiedlich Licht sein kann.
Ihre Werke werden demnächst in Venedig präsentiert. Was verbinden Sie mit der Lagunenstadt?
Ich bin vor etwa 22 Jahren nach Venedig gezogen, Städte am Wasser haben mich immer schon fasziniert. Zuvor, in den 60er-, 70er-Jahren, direkt nach dem Studium, war ich in Istanbul, danach kehrte ich zurück nach Wien, bevor es mich nach Venedig zog.
Was sehen Sie als Künstler in der Lagune?
Es ist dieses spezielle Licht Venedigs, das auch viele andere Maler angezogen hat, vom großen Tizian angefangen über Vittore Carpaccio, Alfred Sisley. Die ganzen Großen sind von diesem Licht fasziniert gewesen. Und genau das hat auch mich begeistert.
Wie kann man dieses Licht beschreiben?
Es ist ganz speziell, ein weiches Licht. Es ist nicht das Licht der Ägäis, das eigentlich unerbittlich und scharf ist. Das venezianische Licht ist viel milder und zeigt sich auch in der venezianischen Malerei. Es zeigt sich auch nur dort so.
Und wie unterscheidet sich das Licht zum Beispiel von jenem in Istanbul, wo sie ja auch gelebt haben?
Istanbul hat schon mehr das ägäische Licht, also brutaler, und auch das Licht des Schwarzen Meeres. Es ist unvergleichlich.
Wie stellen Sie das in Ihren Werken dar?
Das ist keine bewusste Entscheidung. Es passiert durch Intuition und später dann durch Erfahrung, indem man lange dort war.
Sie gelten als Meister der Stille und des Lichts. Ihre Werke stellen oft eine gewisse Einsamkeit dar. Wie gelangten Sie zu diesem Thema?
In den 70er-Jahren malte ich noch Menschen in meinen Bildern, nach der Rückkehr aus Istanbul habe ich sie aber mehr oder weniger langsam verschwinden lassen. Denn es erschien mir poetischer, nur die Überbleibsel menschlichen Tuns darzustellen. Dem folge ich bis heute.
Was wollen Sie damit ausdrücken?
So bewusst gehe ich nicht vor, und ich habe auch kein politisches Programm. Es entsteht bei mir einfach intuitiv und aus einer Gestimmtheit heraus. Das liegt ein bisschen im Rätselhaften, und das macht den Reiz aus.
Gab es in Ihrem Leben ein Schlüsselereignis, das Sie zu diesem Zugang brachte?
Nein, es ist oft ein unbewusster Prozess, der sich über lange Zeit entwickelt. Und so wie eben die Menschen langsam aus den Bildern verschwunden sind, wurden auch langsam die unnötigen Beiwerke des Erzählerischen weggelassen. So wurden die Bilder immer monumentaler, ordentlicher. Denn ich glaube, dass Kunst machen Ordnung machen ist. Aus dieser unglaublichen Auswahl der Wirklichkeit ist dies die Konzentration auf einen kleinen Aspekt. Es ist eine Arbeit der Verdichtung, der Vereinfachung.
Braucht man diese Vereinfachung gerade jetzt besonders, in einer reizgefüllten Welt?
Womöglich. Aber es ist nicht so, dass ich das geplant hätte. Es ergab sich einfach. Zum Beispiel hat gerade Venedig den Ruf, eine vom Tourismus überlaufene Stadt zu sein, in der Millionen durch die Straßen ziehen. Ich blende das aber aus, das interessiert mich nicht. Mein Bild von Venedig ist, wenn man so sagen will, nicht das prachtvolle Venedig, sondern wie mal der Direktor des Venezianischen Guggenheim Museums, Philip Rylands, gesagt hat: das Venezia Minore, also das kleine Venedig. Mein Venedig ist das Unspektakuläre.
Sie arbeiteten dort in einem Atelier, bis eine Flut kam. Was passierte danach?
Im November 2019 kam das katastrophale Hochwasser, es hat mein Haus, das direkt am Wasser stand, überflutet. Mein Atelier wurde komplett zerstört, viele Bilder und das ganze Material waren verloren und in Kürze hat das Haus zu schimmeln begonnen. Ich musste es verlassen und habe Venedig seither gemieden. Aber vergangenen Sommer bin ich rückfällig geworden und habe mir doch wieder etwas am Lido gesucht und werde von Zeit zu Zeit wieder dort sein.
„Auch in Wien würde es mich wieder ans Wasser ziehen. Ich würde irgendetwas mit der Donau oder, abgesehen von der Stadt, vielleicht sogar mit dem Neusiedler See malen.“
Das bedeutet, Sie pendeln zwischen Wien und Venedig?
Wie ich es früher schon 20 Jahre lang gemacht habe.
Was fasziniert Sie so an diesem Ort?
Diese Stadt ist ja, wie wir alle wissen, eine ganz besondere. Noch dazu treffen sich alle zwei Jahre die wichtigsten Kunstproduzenten und Kunstliebhaber bei der Biennale. Die ganze Stadt ist voll mit Kunst. Es gibt nichts Schöneres. Zugleich ist es eine Provinzstadt, was sympathisch ist. Sie ist nicht zu groß, sie ist überschaubar. Und diese prachtvolle Lage im Wasser und mit dem Wasser, das ist unwiederbringlich.
Und Wien? Wenn Sie diese Stadt in einem Bild festhalten würden, was würden Sie malen?
Auch hier würde es mich wieder ans Wasser ziehen, ich würde irgendetwas mit der Donau oder, abgesehen von der Stadt, vielleicht mit dem Neusiedler See malen. Der See erinnert mich sehr stark an die Lagune.
Künstler Eduard Angeli: "Mir erschien es poetischer, Bilder ohne Menschen zu malen" (mit Untertitel)
Wie kann man sich Ihren Arbeitstag vorstellen?
Ich bin Frühaufsteher, lese Zeitungen, dann geht es ins Atelier. Es gibt nur eine kurze Mittagspause, denn es wird so lange gearbeitet, solange das natürliche Licht da ist.
Woher bekommen Sie die Inspiration für Ihre Werke?
Von der Umgebung und von einer inneren Sicht auf Erlebnisse.
Ihre Bilder sind dunkel und oft düster gehalten. Doch das war nicht immer so. In den 70er-, 80er-Jahren gestalteten Sie sie auch in Pastelltönen. Woher kam der Wandel?
Ich bin zusehends ein Fan von natürlichen Materialien geworden, habe auch in den 70ern aufgehört, mit Acryl zu malen, weil Acryl Plastik ist. Und ich bin der Ansicht, dass Plastik schäbig altert. Daher greife ich eben nun zu klassischen Materialien wie Öl oder Kohle. Je ärmer das Material, desto wohler fühle ich mich.
Gibt es einen Künstler, der Sie besonders begeistert?
Ich hatte das Glück, einen der größten Maler, die sich auch mit Venedig beschäftigt haben, kennenlernen zu dürfen: Zoran Mušič. Er pendelte zwischen Venedig und Paris, als er starb, hat er eine große Lücke hinterlassen. Ich fühle mich seinem Vorbild irgendwie verpflichtet. Und ja, ich bin nach wie vor von seinem Werk sehr beeindruckt.
Eduard Angeli
wurde 1942 in Wien geboren, studierte Malerei an der Akademie der Bildenden Künste und Geschichte an der Uni Wien. Er zog nach Istanbul, seit 1971 lebt und arbeitet er in Wien und Venedig. Unter seinen zahlreichen Auszeichnungen zählt auch das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien.
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