Darum baut Koloman Mayrhofer alte Flugzeuge nach
Vor 35 Jahren fing Koloman Mayrhofer an, sich ein funktionsfähiges Gerät zu bauen. Heute rekonstruiert er Modelle aus den Anfängen der Luftfahrt.
Viele Kinder träumen von einem eigenen Flugzeug, wenn sie groß sind. Bei den meisten bleibt es beim Traum, einige wenige können es sich später sogar leisten. Und dann gibt es Koloman Mayrhofer. Er fing vor 35 Jahren an, sich das Jagdflugzeug Albatros D.III. zu bauen, so wie es ab 1917 im Einsatz war. Mit Doppeldecker, glitzerndem Sechszylinder-Motor und fliegen sollte es auch noch.
Heute steht er mit seinem staubigen Arbeitsoverall in einer Halle im niederösterreichischen Pitten, die Hände lässig in der Hosentasche und hat ein leicht süffisantes Lächeln im Gesicht, wenn er sich zurückerinnert. „So ein Blödsinn, das kann man nicht, haben einige gesagt“, erzählt er. Und nach dem Warum hätten sie auch gefragt. Mayrhofers Antwort? „Warum, weiß ich auch nicht. Ich will es einfach machen.“
20 Jahre, rund 1.000 Arbeitsstunden jährlich und viele Termine bei den Luftfahrtbehörden später – „grad so, dass da niemand mit der Jacke mit den langen Ärmeln kam“ – hob der Nachbau tatsächlich ab und landete auch wieder sicher. „Der Pilot stieg aus und sagte: ‚Nur nichts ändern‘.“
Mittlerweile ist Mayrhofer einer der wichtigsten Fachleute für die Anfangsjahre der Luftfahrt weltweit. Er renoviert oder fertigt auf Wunsch originalgetreue Nachbauten von Fliegern, aber auch Autos oder wie gerade einen Pferde-Omnibus. Er gab – doch schweren Herzens, wie er sagt – seinen Beruf als Bildhauer auf und beschäftigt in seinem Unternehmen Craftlab sechs Mitarbeiter in einer großen Werkstatt.
Hightech mit Handwerk
Wären da nicht die in die Jahre gekommenen Holzkisten, die aussehen wie aus einem Indiana-Jones Film, die alten, großen Motoren, und die aufgestapelten Holzlatten würde die Halle wie eine Tischlerei wirken. Das laute Sägen und Schleifen der Maschinen hallt auf. Schraubzwingen hängen aufgereiht nebeneinander, Holzhobel und Pläne liegen herum. Es riecht nach Leim und Holzspänen, Holzlatten liegen herum. Das hölzerne Skelett eines Flügels hängt an der Wand, zwei Rahmen, die die Gestalt von Jagdflugzeugen erahnen lassen, stehen an der Seite. Aber so war das damals zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Apparate das Fliegen lernten: die Karosserien waren – wie auch bei den Autos – aus Holz.
„Der Flugzeugbau damals war das letzte Mal in der Geschichte, dass handwerklichen Tätigkeiten im High-Tech-Bereich eine Rolle gespielt haben.“ Während im Hintergrund wieder das Surren einer Säge ertönt, erklärt Mayrhofer: „Die Menschen sind teils noch mit dem Pferdewagen gefahren und dann kommt jemand mit der Flugmaschine daher. Das muss man sich einmal vorstellen.“
Und hier in der Halle im Industrieviertel will er diesen alten, ausgestorbenen Techniken neues Leben einhauchen. „Wer eines will, und es gibt ein altes Triebwerk dafür, bekommt ein fertiges Flugzeug in die Hand. Wir machen alles, von Motorenüberholung bis Zertifizierung.“ Er macht eine Pause, senkt die Stimme und sagt doch sehr bescheiden: „Es ist natürlich für die Menschheit nicht wichtig, was wir hier machen. Ein Flugzeug von 1917 in die Luft zu bringen, das muss nicht sein.“ Mayrhofer lacht auf. Aber der Craftlab-Chef brennt für das „Unwichtige“, seine Bibliothek umfasst mehr als 1.000 Bücher, die bis in die 1930er über den Flugzeugbau geschrieben wurden.
Flugmuffel und skurriler Graf
Der Mann, der aus einer „unaviatischen Familie“ stammt und sich gar nicht erklären kann, woher seine Faszination eigentlich herrührt, erzählt viel und gerne über das, was er hier in seiner Werkstatt macht. Und darüber, wo er die Motoren herbekommt. „Einmal haben wir einen bei einem schrulligen italienischen Grafen gekauft. Der wollte mit seiner Familie nach Colorado Ski fahren gehen, hatte dafür aber kein Geld.“
Nur darüber, was so ein Flugzeug von 1917 kostet, will er nicht so gerne reden. „Wenn hier 8.500 Arbeitsstunden drinnenstecken, kommt das schon auf etwas.“ Und da wird er im Nachsatz wieder bescheiden. „Auch wenn unser Stundensatz gering ist.“ Drei Jahre dauert es mindestens, bis die Auftraggeber die Maschine besitzen. „Selbst mit dem ganzen Geld der Welt kann man manche Dinge nicht beschleunigen.“ Die Kunden seien aber nicht, wie man meinen könnte, allesamt wahnsinnig betucht. Er berichtet von einem norwegischen Piloten, der sich seinen Jugendtraum erfüllen wollte, wie der Ärmelkanal-Überquerer Louis Blériot zu fliegen. Dieser habe sich das mühsam zusammengespart. „Jetzt freut er sich, dass er damit zehn Minuten fliegen kann.“
Schrauben und wischen
Ein eher kurzes Vergnügen. Bis so ein originalgetreuer Vogel abhebt, muss aber erst recht wieder viel gedreht und geschraubt werden, immerhin steckt darin Technik wie vor mehr als 100 Jahren. Craftlab hat selbst Flugzeuge im Hangar in Wiener Neustadt stehen. Nach dem Winter schieben die Mitarbeiter die Geräte aus dem Wellblech-Hangar, montieren Flügel, wischen oder warten akribisch den Motor. „Der muss nach 30 bis 40 Stunden zerlegt werden, weil da kann das Eine oder Andere auftauchen.“ Nachsatz: „Das ist aber das Spannende dabei. Das erklärt, unter welchen Umständen die das damals gemacht haben.“
Mulmig sei ihm nicht, wenn der nach altem Vorbild gebaute Flieger zum ersten Mal abhebt. „Die wurden immerhin für Militäreinsätze gebaut.“ Wichtig sei nur, dass die Piloten hinter den hölzernen Armaturen und auf den ledernen Sitzen verstehen, das Gerät artgerecht zu fliegen und wenig zu riskieren. „Das wichtigste Werkzeug liegt zwischen den Ohren.“
Während er einen Rahmen erklimmt und sich in einer kreisrunden Öffnung platziert, wo früher auch ein Maschinengewehr montiert war, wird er nachdenklich. „Die Arbeit ist schon auch berührend. Man will wissen, wer die Menschen dahinter waren. „Sie saßen in einem Flugzeug, das in der Lage war, auf 6.000 Meter zu steigen. Sie hatte nur während eines vierstündigen Flugs ein Sauerstoff-Flascherl, Heizkleidung, einen Höhenvergaser.“ Auch wie das Wetter werde, hätten die Menschen nicht gewusst. „Dem Militärchef war das egal. Die waren unbarmherzig. Insofern haben wir die gute Seite abbekommen. Wir haben unseren Spaß, aber der Zweck war ein anderer.“
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