Hubert von Goisern: "Die Kunst leidet unter der Politisierung“

Ein Gespräch über seine kommende Bühnenpause, die Vorteile des Bücher-Schreibens und die FPÖ.

Vor einem Jahr stand Hubert von Goisern zwischen dem Supergau und einem Adrenalinschub, „dass es aus den Ohren rausspritzt“.

In der Woche vor dem Start seiner Tour fielen ihm nämlich vier von sechs Musikern wegen einer Corona-Erkrankung aus. „Zum Glück hat mich der großartige Schlagzeuger Christoph Sietzen angerufen, der einen Platz für das komplett ausverkaufte erste Konzert haben wollte“, erzählt Von Goisern im Interview mit uns. „Wir haben dann ein paar Stunden geprobt und improvisiert, aber es waren die besten Konzerte.“

Ein weiteres großartiges Konzert dieser Tournee, aus dem Festspielhaus in Salzburg – dann wieder mit der vollen Bandbesetzung – erscheint am heutigen Freitag unter dem Titel „Live – Zeiten & Zeichen“. Am 16. Mai startet der Musiker in Bad Ischl die heurige „Neue Zeiten, alte Zeichen“-Tour. Am 19. Mai erscheint dann noch „Derweil 2“, ein Best-of-Album, das die Jahre 2007 bis 2023 umspannt.

Der Hauptgrund für diese Veröffentlichung ist für Goisern, dass er sich nach der heurigen Tour für eine Weile von den Bühnen zurückziehen will.

Nach dem Erfolg seines ersten Buchs „Flüchtig“ will er wieder einen Roman schreiben. „Das hat mir damals sehr getaugt, und du musst dich dabei mit niemand anderem koordinieren. Wenn es draußen lässigen Schnee gibt, kann ich Skifahren gehen und muss nicht an diesem Tag schreiben. Wenn aber eine Probe angesetzt ist, für die fünf Leute anreisen, kann ich das nicht.“

Der Musiker sagt auch, dass er gar nicht weiß, ob er danach noch einmal auf die Bühne zurückkommt. „Es gibt tolle andere Sachen, die Zeit und Aufmerksamkeit brauchen. Es ist zwar seit 40 Jahren mein Traum, eine Art Oper zu schreiben. Ein Werk, bei dem Musik und Dramaturgie zusammenfließen. Aber ich bin jetzt 70 Jahre alt und weiß auch, dass sich nicht mehr alle Träume verwirklichen lassen.“

©APA/GEORG HOCHMUTH

„Angespannte Saiten“

Zwar sagt er, dass ihn die politische Rechtslastigkeit reizt „die sehr angespannten Saiten anzuschlagen und die hohen Töne zu spielen“, meint aber damit weniger die Musik. „Mir ist die Musik zu heilig, als dass ich sie für Politisierung missbrauchen möchte“, erklärt er. „Denn die Kunst leidet unter der Politisierung. Kunst kann Emotionen freisetzen. Politik regt aber nur auf – zumindest so, wie sie in den letzten Jahren war, wo es nur mehr darum gegangen ist, den Gegner schlecht zu machen.“

Von Goisern will sich grundsätzlich mit seiner Meinung nicht zurückzuhalten, denn das sei der Grund, warum wir in so einer Situation sind. Er lebt in Salzburg und nimmt dafür das Beispiel Salzburger Landtagswahlen her: „Da haben die Rechten 25 % bekommen. Es gab 70 % Wahlbeteiligung, und wenn man das bereinigt, sind das 18 % der wahlberechtigten Bevölkerung. Dass die Rechten dann aber sagen, wir sind die, die Mehrheit repräsentieren, ist eine dreiste Lüge.“ Dass so etwas funktioniert, sei dem geschuldet, dass zu wenige Leute den Mund aufmachen.“ Deshalb hat Von Goisern jetzt den Salzburger Landeshauptmann Haslauer kritisiert, der eine Koalition mit der FPÖ andenkt, weil „man weiß, wofür diese Partei steht, und dass sie sich mit Putin ins Bett legt, und nicht unser Lebensgefühl repräsentiert“.

Brigitte Schokarth

Über Brigitte Schokarth

Brigitte Schokarth kennt die Rock/Pop/Indie-Welt in allen Aspekten, pendelt für Konzerte zwischen Flex und Stadthalle, für Interviews zwischen Berlin, London und New York. Sie spricht genauso gern mit Robbie Williams und Pink wie mit Amanda Palmer und James Blake und spürt in den Clubs der Musikmetropolen Trends und Newcomer auf.

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