Ein Tag im Kopf von Harry Styles: Popstar präsentierte Album in London

Er ist derzeit einer der angesagtesten Popsänger überhaupt. In London hat er nun sein neues Album „Harry’s House“ präsentiert.

Ein Haus aus Strichen, wie es kleine Kinder zeichnen, dominiert den Hintergrund der Bühne in Londons Brixton Academy. Hier aus Neonröhren geformt, macht es klar, was an diesem Dienstagabend ansteht: Harry Styles stellt sein neues Album „Harry’s House“ vor.

Inspiriert wurde der Titel von einem von Styles Lieblingsplatten, von „Hosono House“, dem Solo-Albums des Japaners Haruomi Hosono, der mit dem Yellow Magic Orchestra bekannt wurde. Der ursprüngliche Plan war nämlich, während der Pandemie zu Hause eine akustische EP aufzunehmen. „Als ich mit der Arbeit daran anfing, realisierte ich, dass ein Zuhause nicht von einem geografischen Ort abhängig, sondern viel mehr ein inneres Gefühl ist“, erzählte Styles in einem Interview mit Zane Lowe von Apple Music Radio. „Und dann ging es um diese neue Bedeutung: Stell dir vor, es ist ein Tag in meinem Haus, in meinen Gedanken. Was würde da alles vorgehen?“

Potenzial zum Klassiker

Styles liefert mit diesem dritten Album ein reifes Werk ab. Er setzt dabei einerseits auf Tanzbares, bei dem er mit an Prince-Sounds angelehntem Funk und von Soul beeinflussten Bläsern spielt, andererseits auf anrührende Gitarre- oder Klavier-Balladen.

Bei der Album-Launch-Party in der Brixton Academy spielt der 28-Jährige, der schon als Teenager mit der Boyband One Direction berühmt wurde, vor 4900 hingebungsvollen Fans erst einmal das ganze Album durch, wechselt zwischen perfekt gemachten Pop-Songs wie „As It Was“ und Balladen wie „Little Freak“, die mit der Zeit mühelos zu Klassikern wie die von Elton John werden könnten.

Das nachdenkliche „Matilda“ widmet Styles dann „allen, die sich jemals schuldig gefühlt haben, weil sie sich um sich selbst gekümmert haben“. Diesen Song schrieb er nach der Begegnung mit einer Frau, die von ihrer Familie nicht geliebt und entsprechend behandelt worden war.

Zwischen Songs über die Freuden von Wein, gutem Essen und Sex bietet „Harry’s House“ aber auch Gedanken über Zugehörigkeit und Freundschaft, die er sich während der Pandemie machte. Gedanken, für die während der steilen Karriere nie Zeit war.

Kein eigenes Leben

Gleich nach seinem Ausstieg bei One Direction im Jahr 2016 kam nämlich mit „Sign Of The Times“ der erste Solo-Hit.

Mit dem Erfolg kamen noch mehr TV-Auftritte, Fotosessions, Interviews und Tourneen – jahrelang ohne Atempause. „Wenn du wie ich dauernd auf Tour bist, verpasst du so viele Geburtstage deiner Freunde und derartige Events“, erzählte er. „Das geht so weit, dass einfach angenommen wird, dass du keine Zeit mehr für so etwas hast. Ich wollte während der Pandemie deshalb wieder so ein Leben außerhalb des Jobs aufbauen.“ Dass ihm das nicht leicht fiel, gab er auch gleich zu: „Lange Zeit wusste ich nicht, wer ich ohne den Job bin, weil ich ihn schon so lange mache. Das war beängstigend, denn dann kam der Gedanke: ,Was, wenn die Karriere aus ist? Kann ich damit umgehen?’“

©Lloyd Wakefield

Darüber muss sich Styles momentan keine Sorgen machen. Er ist populärer denn je und zeigt in Brixton, dass das nicht nur an der Fähigkeit liegt, eingängige und frische Melodien zu schreiben, sondern auch an seinem Charisma und seiner sympathischen, natürlichen Bühnenpräsenz. Mit persönlichen Worten und viel Humor wendet er sich zwischen den Songs immer wieder an seine Fans, witzelt nach „Keep Driving“, dass er sich nie gedacht hätte, einmal Worte wie Kokain zu singen, während seine Mutter im Publikum ist.

Das großartige „Sign Of The Times“, in dem er sich wundert, warum die Menschen nie lernen, spielt er mit einer Ukraine-Flagge um die Schultern. Achtsam auch am Höhepunkt der Stimmung unterbricht er den Song aber, weil ein paar Fans in der Sauna-Hitze in der Brixton Academy in Ohnmacht gefallen sind. Erst als die in Sicherheit sind, beginnt er von vorne.

©Lloyd Wakefield

Wie diese Talente Styles zu einem Performer machen, der bei jeder Show einen genauso unterhaltsamen wie bewegenden Abend garantiert, kann man am 16. 7. in der Wiener Stadthalle sehen.

Brigitte Schokarth

Über Brigitte Schokarth

Brigitte Schokarth kennt die Rock/Pop/Indie-Welt in allen Aspekten, pendelt für Konzerte zwischen Flex und Stadthalle, für Interviews zwischen Berlin, London und New York. Sie spricht genauso gern mit Robbie Williams und Pink wie mit Amanda Palmer und James Blake und spürt in den Clubs der Musikmetropolen Trends und Newcomer auf.

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