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Filmkritik zu "Magiret": Nichts Besseres als den Tod finden

Gérard Depardieu kämpft als melancholischer Kommissar Maigret mit dem Alter und sucht den Mörder einer jungen Frau

Üblicherweise trägt Meisterdetektiv Maigret ständig eine Pfeife im Mund – wie übrigens auch sein legendärer Erfinder, der belgische Krimiautor Georges Simenon.

Doch Maigret hat Rauchverbot. Er fühlt sich erschöpft, appetitlos und kurzatmig. Sein Arzt ist besorgt: Wie wär es mit einer Pause? Oder gar mit der Pension?Man muss nicht alle 75 Maigret-Romane – erschienen ab 1929 –, oder gar 28 weitere Maigret-Erzählungen gelesen haben, um zu ahnen, dass es mit der Rente nichts wird. Gerade will sich der Kommissar nach Hause zu Madame Maigret schleppen, als ihn die nächste Mordmeldung ereilt. Eine junge Frau wurde erstochen – lose basierend auf Simenons Roman „Maigret und die junge Tote“.

Gérard Depardieu als Maigret reiht sich ein in eine illustre Reihe von über 30 Maigret-Darstellern. Zu den ersten gehörte 1932 Pierre Renoir, Sohn des berühmten Malers, der unter der Regie seines Bruders Jean Renoir den Chefermittler spielte. Es folgten Großkaliber wie Jean Gabin oder Charles Laughton, der als erster internationaler Maigret ermittelte. Auch Heinz Rühmann griff zur Pfeife, ebenso wie Rowan Atkinson in einer britischen Miniserie.

Sowohl der 75-jährige französische Regisseur, Theater- und Film-Veteran Patrice Leconte als auch sein 74-jähriger Hauptdarsteller Depardieu wissen beide, was Alter ist.

Zudem verleiht ein starrer Depardieu dem geschlauchten Kommissar eine gehörige Portion Gravitas, gepaart mit einem Hauch von Depression und Einsamkeit. In seinem eisgrauen Mantel verschwindet er beinahe zwischen den steinernen Häuserzeilen eines Paris’ der 1950er-Jahre, das keine Sekunde urban oder gar glamourös aussieht.

Wenn er die vier Stockwerke zum Dachgeschoß-Zimmer des Opfers hinaufblickt, spürt man förmlich die Anstrengung, die den massiven Mann überfällt.

Leconte verstärkt den Eindruck von subjektiver Erschöpfung durch den Blick einer unruhigen Handkamera, mit der er den Boden ins Schwanken bringt.

©Pascal Chantier/Polyfilm/PASCAL CHANTIER

Ohnehin gewinnt man den Eindruck, als würde sich der Regisseur nicht sonderlich stark für die Krimi-Aspekte seines trübe gestimmten Nachkriegsmilieus interessieren. Wer die junge Frau warum umgebracht hat, wird eher nebenher – und spannungsarm – erwähnt.

Trübes Nachkriegsmilieu: "Maigret"

©Pascal Chantier - Ciné @/Polyfilm/PASCAL CHANTIER

Leconte treiben vielmehr jene schmerzhaften Momente der Desillusion um, die Menschen jeden Alters ins Gesicht schlagen können – und ganz besonders den Älteren. Die junge Frau aus der Provinz kam voller Hoffnung nach Paris, nur um dort den Tod zu finden. Die Sehnsucht nach dem besseren Leben endet bei den meisten jungen Mädchen, die vom Land kommen, schlecht, sagt die Pariser Zimmervermieterin achselzuckend: Entweder sie werden Dienstmädchen oder landen im Puff.

Maigret selbst hat nicht nur mit seinem massigen Körper und dessen Schwächeanfällen zu kämpfen, sondern auch mit den eigenen Erinnerungen. Eine junge, obdachlose Frau, der er das Zimmer der Toten verschafft hat, hält ihn für einen Freier. Dabei wäre er viel lieber ihr Vater.

Patrice Leconte ist ein altmodischer, langsamer Erzähler. Das mag nicht jeder. Melancholisch wandert er mit Gérard Depardieu durch die Straßen von Paris, eine Stadt der zerbrochenen Träume.

INFO: F/BEL 2022. 89 Min. Von Patrice Leconte. Mit Gérard Depardieu, Mélanie Bernier.

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