Das letzte Mal in seiner Paraderolle: Harrison Ford in „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ (Kinostart: 5. Juni)

Indiana Jones und das Rad des Schicksals: Verdient in die Pension

Der Auftritt von Harrison Ford begeisterte sein Publikum in Cannes, die ermüdende fünfte Folge „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ eher weniger

Auch ein Indiana Jones muss manchmal mit den Tränen kämpfen. Als Harrison Ford anlässlich der Premiere von „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ in Cannes mit Standing Ovations begrüßt wurde, musste er sichtlich um Fassung ringen. Eine Welle der Fan-Begeisterung schwappte dem legendären Darsteller von „Indy“ Indiana Jones entgegen, als er mit seiner Ehefrau Calista Flockhart über den roten Teppich schritt. Zur großen Überraschung aller bekam der 80-jährige auch eine Goldene Ehrenpalme für sein Lebenswerk in die Hand gedrückt – und bedankte sich mit bewegten Worten bei den den Gala-Gästen: „Ich liebe euch auch.“

Am Ende einer 142 Minuten langen, mit Verfolgungsjagden vollgestopften Vorführung war die Begeisterung allerdings merklich abgeklungen. Der lauwarme Abschlussapplaus klang eher ausgelaugt als euphorisch.

Harrison Ford selbst hat betont, dass sein nunmehr fünfter Auftritt als Archäologe und Forscher Indiana Jones sein Letzter sein wird. Regisseur Steven Spielberg, der 1981 mit „Jäger des verlorenen Schatzes“ sein Publikum umwarf und den legendären Grundstein für einen der einflussreichsten Blockbuster-Reihen Hollywoods legte, war erstmals nicht mehr dabei. Nach insgesamt vier Indianer-Jones-Abenteuern überließ er den Regiestuhl James Mangold, einem mit „Wolverine“ und „Logan“ geprüften, kompetenten Mainstream-Regisseur.

Spielbergs Erfolgsrezept lag in der verspielten Kombination aus einfallsreicher, rasanter Action und einer gelungenen Portion Humor. Mangold bemüht sich um ein Revival der bewährten Formel, peppt sie mit Retro-Sehnsucht auf und schießt mit seinem angestrengten Dauerbombardement an schleißig animierten Actionsequenzen freudlos über sein Ziel hinaus.

Harrison Ford beweist sich erneut als Actionheld: "Indiana Jones und das Rad des Schicksals"

©Lucasfilm Ltd.

Nazi-Jagd

Das Abenteuer legt jugendlich los: Dank digitaler „De-Aging“-Technik tritt Harrison Ford als Indiana Jones seinen Kampf gegen deutsche Nazis überzeugend verjüngt an. Der Zweite Weltkrieg neigt sich gerade dem Ende zu, als Indy von den Deutschen gefangen genommen wird. Schon hat er die Schlinge um den Hals, kann sich aber in letzter Sekunde retten. Die typischen Indiana-Jones-Utensilien – Peitsche und weicher Schlapphut – werden liebevoll ins Bild gerückt. Dann stößt der Soundtrack von John Williams die klassische Indiana-Jones-Fanfare aus und taucht tief ins Nostalgiebad ein.

Bei einer furiosen Verfolgungsjagd auf den Dächern eines fahrenden Zuges – im Jahr 2023 leider auch nicht mehr wahnwitzig originell – kann der junge Indy seine Verfolger abschütteln. Dabei gelingt es ihm, die Hälfte eines antiken Uhrwerkes des Griechen Archimedes an sich zu reißen, das auf den Namen Antikythera hört. Sehr zum Ärger von Ober-Nazi Jürgen Voller, vom dänischen Mads Mikkelsen mit überraschend guten Deutschkenntnissen gespielt.

Mads Mikkelsen (li.) als deutscher Nazi

©Lucasfilm Ltd.

Der große Sprung in die jüngere Vergangenheit des Jahres 1969 gelingt gut: Harrison Ford hat sein natürliches Alter erreicht – er steht jetzt kurz vor der Pensionierung als Uni-Professor – und tastet sich schlecht gelaunt durch sein unaufgeräumtes New Yorker Apartment. Zuerst schimpft er mit den lärmenden Hippie-Nachbarn, dann langweilt er seine Studierenden mit einer uninspirierten Vorlesung. Unter seine Schüler hat sich eine junge Frau namens Helena gemischt: Sie gibt sich als Tochter von Indys verstorbenem Brit-Kollegen Basil Shaw zu erkennen und ist auf der Suche nach der Antikythera.

Phoebe Waller-Bridge sorgt für ironischen Humor in "Indiana Jones und das Rad des Schicksals"

©Jonathan Olley / Lucasfilm Ltd.

Nicht nur sie: Auch Nazi Voller sucht das antike Teil, weil man damit eine Zeitreise machen und die Weltgeschichte verändern kann: „Ihr habt den Krieg nicht gewonnen, Hitler hat ihn verloren“, belehrt Voller vieldeutig Indiana Jones.

Aber Indy ist auch nicht auf den Mund gefallen: „Du bist Deutscher. Versuch gar nicht erst, witzig zu sein.“

Es folgt eine Reihe geradezu absurder Verfolgungsjagden quer über den Kontinent. Den ersten Gipfel macht ein bizarrer Pferdegalopp durch das New Yorker U-Bahnsystem, dessen gut sichtbare Computernachbearbeitungen fast schon wieder komisch wirken. Immerhin kann Harrison Ford beweisen, dass er immer noch den Willen zum Actionhelden in sich trägt. Was den berühmten Humor anbelangt, sorgt die patente Britin Phoebe Waller-Bridge („Fleabag“) als kalkulierende Helena für ironische Abkühlung der überhitzen Handlung.

Atemlos hetzt Mangold sein Abenteuerteam durch die Weltgeschichte: Ob in den engen Gassen Marokkos, tief unten auf dem Meeresgrund oder hoch oben in den Lüften – es gibt kaum ein Innehalten zwischen den bombastischen, zunehmend ermüdenden Tempo-Schlachten. Erschöpft landet man schließlich im emotional berührenden Finale und ist überzeugt: Indiana Jones hat sich seine Pension verdient.

Alexandra Seibel

Über Alexandra Seibel

Alexandra Seibel schreibt über Film, wenn sie nicht gerade im Kino sitzt.

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