ROMY

Die Puls4-Welterklärerin: Je komplexer, desto Raidl

Die Journalistin will Zusammenhänge verständlich machen. Das gelingt ihr mit umfangreichen Erklärvideos zu Chatprotokollen und Co.

„Die Buwog-Affäre …“ Manuela Raidl legt eine kurze Kunstpause ein und fährt dann fort: „… ist ein bissl wie der Musikantenstadl. Gibt’s ewig, jeder hat schon einmal davon gehört und man ist sich nicht sicher, ob er nicht schon abgesetzt ist.“ Die Puls 4-Journalistin hat sich auf Erklärstücke zu komplexen Themen spezialisiert und schafft es tatsächlich, mit Schmäh und tiefgehender Recherche, die Geschichten unserer Zeit aufzuarbeiten. Motto: Je komplexer, desto Raidl.

Zum Voting

Alle Infos zu den Nominierten und das Voting gibt es auf ROMY.at

Die Journalistin ist in ihrer Arbeit agil und gleichzeitig erfahren: Schon bevor die ersten Bilder vom damaligen Stadtsender Puls TV über den Äther gingen, war sie dabei, als Gründungsmitglied des späteren Puls 4. Davor schmiss sie als eine der ersten Frauen eine Radio-Morgenshow bei NRJ.

Schnelle Arbeit

Hört man sich an, wie die Erklärvideos entstehen, staunt man über die Gabe Raidls, Informationen schnell und kompakt aufzubereiten: In zwei Tagen recherchiert sie bei Expertinnen und Experten, zapft Quellen an und sammelt ein umfangreiches Kompendium. Dann beginnt der schwierige Teil: „Das Härteste als Journalistin ist, die eigenen Darlings zu streichen und das auf zehn, zwölf Minuten einzudampfen.“

Nach ein bis zwei weiteren Tagen ist das Video mit Grafiken on air. Vor allem im Internet wird diese Arbeit belohnt, wie sich an hohen Abrufzahlen zeigt. Raidl lebt vor der Kamera mit der Story mit und erhebt auch den Zeigefinger, ohne dabei aber die journalistische Ebene zu sehr zu verlassen. „Manchmal muss auch on air einer gewissen Entrüstung Platz haben. Bei komplett politisch-moralischem Versagen muss man auch einmal sagen: ‚Wir sind komplett hinters Licht geführt worden.‘“ Ihr Anspruch sei aber, es nicht bei der reinen Kritik zu belassen, sondern Lösungsvorschläge aufzuzeigen. „Reines Bashing von Verantwortlichen ist irgendwann auch fürs Publikum fad. Es hat keinen Mehrwert.“

Orientierung geben

Warum Erklärstücke? „Medien haben oft das Problem, dass sie ihr Publikum mit bestem Wissen und Gewissen bis zur letzten Minute up to date halten. Wir vergessen, dass man sehr schnell den Überblick verlieren kann.“

Man möchte ihr beipflichten: Auch hauptberufliche Journalisten verlieren bei so mancher Rahmenhandlung irgendwann die Orientierung. Wie soll es da den Menschen gehen, die die Fernsehnachrichten schauen, um sich am Ende ihres Arbeitstages Überblick zu verschaffen?

„Meine innere Mission ist es, Verständnis zu schaffen und zu erklären“, sagt Raidl. Erfahrung hat sie aber auch im tagesaktuellen Geschäft – durch die jahrelange Tätigkeit als Außenreporterin. „Speziell wenn es größere Anlässe sind, etwa ein Parteitag, taucht man in ein Paralleluniversum ein.“

Eine Gelegenheit, etwas über die Verfasstheit der politischen Landschaft zu lernen: etwa, wie eine gut orchestrierte Dramaturgie die Stimmung drehen kann. Oder: „In wie viele Partikularinteressen sich das politische Gebilde einer Partei unterteilt. Der Anspruch, von ihnen immer eine einheitliche Position zu verlangen, relativiert sich dann.“

Die Rolle von Frauen in der Medienbranche hat sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten gebessert, wenn auch im Hinblick auf Gleichstellung noch genug zu tun sei, sagt sie. Kuriose Ratschläge wie früher gibt es hingegen nicht mehr: „Wir hatten einst eine Moderatorentrainerin, die mir davon abgeraten hat, mir die Haare wellen zu lassen. Weil man als Frau ohnehin weniger Glaubwürdigkeit für das Publikum habe. Zu Beginn meiner Karriere war es ein großes Thema, wie man den Umstand wettmacht, dass ich eine Frau Mitte 20 bin. So etwas habe ich schon ewig nicht mehr gehört und würde das auch nicht mehr ernst nehmen.“

Auch dem landläufigen Fernsehmythos, dass man als Moderatorin von Diskussionssendungen von männlichen Gesprächspartnern rücksichtsvoller behandelt wird, gewinnt Raidl mittlerweile nur mehr wenig ab. Die Sitten seien rauer geworden, auch für Frauen. Was sie ausdrücklich gut findet: „Ich muss nicht wie eine zerbrechliche Dame behandelt werden.“

Philipp Wilhelmer

Über Philipp Wilhelmer

KURIER-Newsroom. Themenchef digital. 2019 Fellow Reuters Institute for the Study of Journalism, University of Oxford.

Kommentare